Alice Schwarzer schreibt

Der tiefe Fall von DSK & Anne

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Nach der Beschuldigung des schwarzen Zimmermädchens Nafissatou Diallo, Strauss-Kahn habe sie zum Oralverkehr gezwungen, war der Strafprozess gegen ihn im August 2011 überraschend eingestellt worden, im Dezember 2012 zahlte er jedoch mehrere Millionen an die alleinerziehende Mutter aus Guinea, um die Eröffnung des Zivilprozesses zu verhindern (in dem er seine Unschuld hätte beweisen müssen). Und zurzeit laufen in Lille Ermittlungen gegen den Pariser wegen „schwerer Zuhälterei“. Mit einem Prozess wird gerechnet.

Der Fall Strauss-Kahn hatte die französischen Medien gespalten, die Linien verliefen fast gleich mit den politischen Lagern: hie die Linken und Liberalen pro Strauss-Kahn, da die Konservativen und Rechten gegen Strauss-Kahn. Nur die Frauen scherten aus, unabhängig von ihren politischen Sympathien. Sie gingen in Frankreich zu Tausenden auf die Straße, um gegen die parteiische und frauenverachtende Berichterstattung in Sachen DSK zu protestieren.

Die linksliberalen Medien scheinen das inzwischen vergessen zu haben. Mehr noch: Sie sind heute die größten Eiferer bei der Verdammung von Strauss-Kahn. Plagt sie das schlechte Gewissen?

Doch als die Richter der Klage von Strauss-Kahn gegen die Indiskretion Recht gaben und den Nouvel Observateur zu einem Schmerzensgeld von 50.000 € sowie Marcela Iacub zu 20.000 € verurteilten, schlug die Doppelmoral erneut hohe Wellen. Wo wolle man denn hinkommen, wenn jetzt jede „Fiction“, jeder Roman für bare Münze genommen würde, das sei ja das Ende der Freiheit der Literatur, klagen nun die einstigen DSK-Kumpel.

Fiction? Iacub nennt in dem Buch zwar nicht einmal seinen Namen, sondern spricht ihn immer nur direkt an, sie hat dem Nouvel Observateur jedoch ein Interview zum Buch gegeben, in dem sie alles als Realität bezeichnet und wörtlich sagt: „Nur die sexuellen Szenen sind erfunden.“ – Was vermutlich nötig war.

Die 49-Jährige erspart uns auch nicht das Geständnis, sie habe gerade Selbstmord machen wollen – da trat DSK in ihr Leben. Auch eine Art der Selbstzerstörung.

Iacub wörtlich: „Du warst alt, du warst dick, und du warst hässlich. Du warst ein Macho, du warst vulgär, du warst gefühllos und kleinlich. Du warst egoistisch, du warst brutal und kulturlos.“ – Das alles hätte die Frau auch wissen können, ohne ein Verhältnis mit ihm anzufangen. Aber was tut man nicht alles, um ein Buch zu veröffentlichen.
 

 

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