Alice Schwarzer in anderen Medien

"Der Islam ist nicht mein Thema"

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Die Silvesterereignisse von Köln haben für ein Beben gesorgt und der viel gepriesenen "Willkommenskultur" hierzulande einen herben Dämpfer versetzt. Nachdem die Opfer der Diebstähle und der sexuellen Übergriffe übereinstimmend zu Protokoll gegeben haben, dass es sich bei den Tätern vermutlich um Männer marokkanischer, algerischer oder arabischen Abstammung gehandelt habe, waren die Urteile schnell gefällt: Die Muslime waren's, die jetzt zahlreich in unser Land kommen - und die sind die Gefahr! Auch die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer gehörte früh zu diesen Anklägern. Nun erscheint ihr Buch "Der Schock - Die Silvesternacht in Köln", in dem sie erneut zum Generalangriff auf den Islam ansetzt.

NDR Kultur: Frau Schwarzer, Sie schreiben in Ihrem Buch, dass diese von Ihnen sogenannten Scharia-Muslime, die einen Gottesstaat in Deutschland befürworten würden, nur eine einstellige Prozentzahl der Muslime in Deutschland darstellen würden. Warum also Ihre Ressentiments gegen den Islam?
Alice Schwarzer: Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie etwas über den Islam gesagt. Ich publiziere über das Problem seit 30 Jahren und bei jeder Gelegenheit weise ich darauf hin, dass es mir nicht um den Islam geht - das ist ein Glaube und das ist Privatsache -, sondern ausschließlich um den politisierten Islam, der seinen Anfang genommen hat mit Chomeini im Iran 1979 und der seither einen Siegeszug durch die Welt antritt. Ich kritisiere die Islamisten, diese Sorte Muslime, für die die Scharia über dem Gesetz steht und die Frau unter dem Mann. Wir sollten fein unterscheiden zwischen Islam und Islamisten und endlich in Deutschland etwas tun gegen die Islamisten.

Sie unterstellen bei den Silvesterereignissen politische Motivation. Sie schreiben in Ihrem Buch, dass die Verabredung auf eine zielgerichtete, kriminelle beziehungsweise politische Vorgehensweise hindeute. Was ist daran politisch, wenn sich Straftäter verabreden?
Für mich - und für viele Journalisten, vor allem im Ausland - war sehr schnell die Parallele zum Tahrir-Platz in Kairo klar. Weil sich die Täter genauso verhielten. Es handelte sich um überwiegend jüngere Muslime aus dem arabischen Raum und dem Nahen Osten. Die Methode ist, dass sie in großen Schwärmen auftreten, dass aus diesen Schwärmen kleine Gruppen ausbrechen, Frauen umringen, falls diese in Begleitung von Männern sind, die Männer wegstoßen, und diese Frauen malträtieren. Dabei geht es nicht um sexuelle Belästigung, sondern um sexuelle Gewalt. Das hatte in Nordafrika in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten die Funktion, den Frauen Angst zu machen und sie aus dem öffentlichen Raum zu vertreiben. In Deutschland beziehungsweise in Europa haben wir das bisher nicht gekannt. Das hatten wir noch nie nach 1945: inmitten einer Großstadt ein zentraler Platz, der über Stunden ein rechtsfreier Raum war. Bisher haben über 600 Frauen Anzeige erstattet und wir dürfen davon ausgehen, dass da 1.000 bis 2.000 Männer waren.

Ein Satz aus Ihrem Buch hat mich auch noch sehr geschockt. Sie schreiben: "Fremdenhass und Fremdenliebe sind nur zwei Seiten ein und derselben Medaille". Fremden helfen oder deren Unterkünfte anzünden ist im Grunde dasselbe?
Schwarzer: Der Schluss ist ein bisschen einfach. Es ist eine philosophische Überlegung. Wir haben in Deutschland eine dunkle Vergangenheit mit Fremdenhass - wo wir übrigens oft einfach unsere Nachbarn zu Fremden erklärt haben. Deswegen haben wir ein schlechtes Gewissen - und das ist auch gut so. Es gibt aber eine Tendenz in Deutschland, in eine nicht minder blinde Fremdenliebe zu kippen. Das ist aber auch falsch. Der Fremde hat nicht die gleichen Rechte und auch nicht die gleichen Pflichten. Es ist auch dumm: Fremde sind Menschen wie wir, sie werden uns sehr schnell ähnlich. Sie sind mal gut, mal böse - es gibt keinen Grund zu dieser Blauäugigkeit. Wir sollten kein Sonderrecht für Fremde schaffen. Wenn wir schockierend finden, dass deutsche Männer gewalttätig werden, müssen wir auch schockierend finden, wenn das muslimische Männer werden. Das ist die politische Dimension. Es geht nicht um die Ausrutscher einiger weniger, sondern um eine Art koordinierter Schwarm. Ein deutscher Konfliktforscher hat das "Die Machtdemonstration Gleichgesinnter" genannt. Das ist eine sehr gute Formulierung.

Das klingt ein bisschen nach: Man wird das doch mal sagen dürfen. Diese Sätze kennt man auch aus Richtungen etwa von Pegida oder von AfD. Haben Sie ein bisschen Sorge, dass Sie von dort sehr lauten Applaus für Ihr Buch bekommen?
Nein, ich mache mir Sorgen um Sie, Herr Deppe. Wenn man aufhört falsche Tabus zu verbreiten, dann werden wir auch weniger den Boden bereiten für rechtspopulistische Ideen. Solche Parteien werden nämlich gewählt, weil die Menschen einfach sauer sind, weil es diese vielen Tabus gibt. Man muss die Wahrheit benennen können.

Das NDR-Interview führte Jürgen Deppe.

 

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Alice Schwarzer (Hg).: „DER SCHOCK – die Silvesternacht von Köln“ (KiWi, 7.99 €). Im EMMA-Shop

 

 

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