Alice Schwarzer in anderen Medien

Im Namen einer falschen Toleranz...

Alice Schwarzer im November 2018 an der Uni Algier. - Foto: Bettina Flitner
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Meine Freundinnen und Freunde in Algerien sind liberal bis links oder apolitisch; sie sind gläubig, ungläubig oder Kulturmuslime. Zurzeit demonstrieren sie alle für ein offenes, demokratisches Algerien. Wenn ich sie besuche, schallt mir seit vielen Jahren der immer gleiche Vorwurf entgegen: Wie könnt ihr nur mit denen zusammenarbeiten. Das sind doch Rechte! Und wir sind deren erste Opfer.

Mit „ihr“ meinen sie uns Westler und speziell uns Liberale und Linke; „die“, das sind die Islamisten, für die die Scharia, das „Gesetz Gottes“, über dem weltlichen Gesetz steht und ihr Leben bestimmt. Ich erkläre dann meinen Freunden, dass man bei uns bis heute nicht unterscheidet zwischen dem Islam als Glauben und dem Islamismus, der Ideologie. Und dass Menschen wie ich, die den politischen Islam kritisieren, in meiner Welt von so manchen Linken und vor allem von „islamischen Feministinnen“ plus Sympathisantinnen und Sympathisanten als „Rassisten“ beschimpft werden.

Denn das ist ja der infame Trick der Islamisten seit der ersten Stunde: Sie setzen die Kritik an ihrer Ideologie gleich mit einer Kritik am Islam an sich, an allen Musliminnen und Muslimen. Und die westlichen Linken, von denen viele von Beginn an sympathisiert haben mit dem politischen Islam, machen das mit. So bejubelte zum Beispiel der französische Philosoph Michel Foucault die „iranische Revolution“ als „die modernste und verrückteste Form der Revolte“. Dass dabei von Anbeginn an die Frauen entrechtet waren, hat nicht nur ihn nicht sonderlich gestört.

Der Trick der Islamisten: Sie setzen die Kritik an der Ideologie gleich mit einer Kritik am Islam an sich.

Der Linken war ihr revolutionäres Subjekt, das Proletariat, verloren gegangen. Sie ersetzte es geschmeidig durch „die Muslime“ – die sind für sie seither die neuen „Verdammten dieser Erde“. „Die westliche Linke und uns verband der Hass auf den Schah, auf den Imperialismus und auf Amerika“, schreibt die iranische Schriftstellerin Chahla Chafiq, die sich bis heute als Linke und als Feministin versteht. Rückblickend analysiert die Soziologin: „Wir haben die Diktatur bekämpft, aber nicht begriffen, dass der neue Iran ein totalitäres Regime wurde. Auch ich habe die Gefahr nicht gleich erkannt.“ Chafiq flüchtet 1984 ins Exil nach Frankreich.

Ich war wenige Wochen nach der Machtübernahme Chomeinis mit einer Gruppe Französinnen, dem Comité Simone de Beauvoir, in Teheran. Wir waren den Hilferufen von Feministinnen gefolgt, die wie Chafiq die Ankunft des Ajatollahs zunächst bejubelt hatten. Doch dann kam der 8. März 1979 und das Dekret: „Die Frauen dürfen nicht mehr nackt in die Ministerien kommen. Sie können arbeiten, aber nur verschleiert.“ Was von nun an für alle Berufs- und Bildungsbereiche galt.

Seither ist das Kopftuch, die Verhüllung des „sündigen“ Haares und Körpers der Frau, das identitätsstiftende Symbol der Islamisten. In den ersten Jahrzehnten schlugen die Revolutionswächter so mancher Frau das verrutschte Kopftuch mit Nägeln in den Schädel. Das ist heute anders. Ganz anders? „Viel lockerer“, so heißt es. Anfang 2019 allerdings wurde in Teheran die international geachtete Menschenrechtlerin und Anwältin Nasrin Sotoudeh zu 38 Jahren Gefängnis und 148 Peitschenhieben verurteilt. Ihr Vergehen: Sie hatte es gewagt, vor Gericht Frauen zu verteidigen, die gegen den Kopftuchzwang und für Frauenrechte demonstrierten.

Damals, im April 1979, haben wir mit allen Parteien gesprochen. Mit den empörten Feministinnen (die ausnahmslos wenig später tot waren oder im Exil) wie mit den islamischen Frauenrechtlerinnen (von denen auch nur wenige überlebt haben) und den Töchtern und Ehefrauen der neuen Machthaber.

Das Kopftuch ist seit "iranischen Revolution" 1979 das identitätsstiftende Symbol der Islamisten

Letztere waren beeindruckende Frauen, tief verschleiert im schwarzen Tschador, mit Gesichtern wie in Granit gemeißelt. Unterm Tschador hatten sie im Kampf gegen den Schah nicht selten die Kalaschnikow verborgen. Auf unsere Fragen antworteten sie ganz offen, genau wie die neuen politischen Führer. „Ja, selbstverständlich Einführung der Scharia!“ – „Ja klar, Steinigung bei Ehebruch (der Frau) oder Homosexualität“. Das stehe so im Koran. Und dazu lächelten sie liebenswürdig. Sie haben aus ihren Absichten keinen Hehl gemacht. Man hätte es wissen können.

Zurück in Deutschland, habe ich in EMMA und in der ZEIT geschrieben, was ich gehört und gesehen hatte. Meine Reportage endete mit den Worten: „Diese Frauen waren gut genug, für die Freiheit ihr Leben zu riskieren – sie werden nicht gut genug sein, in Freiheit zu leben.“ Prompt schallte es mir entgegen: „Schahfreundin!“, „Rechte!“. Das war neu.

Wie war das eigentlich noch kurz zuvor, in den Siebzigerjahren in Deutschland? Da lebten schließlich schon über eine Million Türkinnen und Türken bei uns. Aber Kopftücher waren kein Thema. Mehr noch: Dass Türken Muslime waren, war kein Thema. Es war ihnen selber egal, oder aber sie betrachteten es als ihre Privatsache. Ihr Glaube existierte in der öffentlichen Wahrnehmung nicht.

Und noch vor zehn Jahren ergab eine repräsentative Studie des Innenministeriums, dass sieben von zehn Musliminnen in Deutschland kein Kopftuch tragen. Sogar unter denjenigen, die sich selber als „stark gläubig“ einstuften, hatte jede Zweite noch nie ein Kopftuch getragen. Denn das Kopftuch ist kein religiöses Gebot. Nur für die islamischen Fundamentalisten ist die obsessive Verhüllung der Frauen so unverzichtbar wie für die christlichen Fundamentalisten das Abtreibungsverbot. Immer geht es dabei um die Kontrolle des weiblichen Körpers.

Bei der vom Innenministerium in Auftrag gegebenen Studie gab übrigens nur jede und jeder Dritte an, „stark gläubig“ zu sein. Nicht zuletzt darum ist es falsch, Menschen muslimischer Herkunft über den Islam zu definieren – so wie es falsch wäre, mich über das Christentum zu bestimmen.

Alice Schwarzer im November 2018 an der Universität in Oran. - Foto: Bettina Flitner
Alice Schwarzer im November 2018 an der Universität in Oran. - Foto: Bettina Flitner

Jüngst wurde Bundeskanzlerin Angela Merkel gefragt, was für sie Islamismus sei. Sie antwortete: Wenn Gewalt im Spiel ist. Hier irrt die Kanzlerin. Die Gewalt ist nur die Spitze des Eisberges, sozusagen der dramatische Endpunkt einer langen Indoktrinierung. Islamismus beginnt bei einer fundamentalistischen, wissenschaftsfeindlichen Weltsicht, die den im 7. Jahrhundert geschriebenen Koran auch im 21. Jahrhundert noch wörtlich nimmt. Er geht weiter mit der Geschlechter-Apartheid (Trennung schon im Kindergarten) sowie der Entrechtung des Individuums im Namen des Kollektivs. Und er gipfelt schließlich in der Propagierung der Verschleierung, die den Körper von Frauen zum Objekt macht – und die Männer zu deren Wächtern. Für die schriftgläubigen Islamisten bestimmt der Koran das Leben der Menschen ebenso wie die Regeln der Gesellschaft.

Bis heute wird dieser Propaganda der Islamisten in den muslimischen Communitys westlicher Metropolen leider kaum etwas entgegengesetzt. Im Gegenteil: Politik, Kirchen und Medien hofieren diese Ideologen, indem sie mit den überwiegend orthodoxen bis islamistischen Verbänden „dialogisieren“ – und die aufgeklärten Musliminnen und Muslime lange links liegen ließen. Entsprechend stieg das Unbehagen, bei den Muslimen wie auch bei uns, ihren Nachbarn. Aber das Klima ist polarisiert, und die Menschen sind eingeschüchtert.

Sie haben Angst, bei Kritik als „Rassisten“ gescholten zu werden. Da ist es gut, dass inzwischen auch immer mehr kritische Musliminnen und Muslime in die Offensive gehen. So wie etwa die in Deutschland lebende ägyptische Soziologin Hoda Salah. Sie führte eine Studie über „Feminismus und Islamismus“ durch und schreibt im Blick auf die Kopftuch-Debatte über „die mit den islamischen Aktivistinnen sympathisierenden Wissenschaftlerinnen“, die sich „um Verständnis und Nachsicht“ bemühten: Sie „blenden die sozialen und politischen Auswirkungen auf die Gesellschaft und die existierenden Menschenrechte aus“. Dabei seien diese „politischen Agitateurinnen ein sichtbares Zeichen des Islamismus sowie ein zentraler Marker der Grenzziehung zwischen dem 'islamischen Kollektiv' und dem davon zu unterscheidenden Außen“. Doch statt diese Strategie zu erkennen, wird die hochpolitische Kopftuch-Frage von der Politik wie von den Medien als Privatsache behandelt. In einer Endlosschleife debattiert man darüber, ob das einzelne Individuum das Kopftuch nun „freiwillig“ trage oder nicht.

Die hochpolitische Kopftuch-Frage wird von Politik wie Medien als Privatsache einer Frau behandelt.

So geht das nun seit den Neunzigerjahren. Schon vor einem Vierteljahrhundert gab es auch in Deutschland diese Fronten: Hier die Kulturrelativisten, für die die Fremden eben „anders“ sind und ihre Sitten bedingungslos zu respektieren sind (selbst wenn sie gegen elementare Menschenrechte verstoßen); und da die Universalisten, für die alle Menschen gleich(berechtigt) sind und die Menschenrechte universell gelten. Und schon damals lief bereits die Diffamierung der Kritikerinnen und Kritiker des Islamismus als „Rassisten“.

Als ich beispielsweise 1995 den Protest gegen die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an die Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel initiierte, traf ich auf viele Eingeschüchterte und Ängstliche. Schimmel, nach der zu ihren Ehren eine Allee in der pakistanischen Kulturhauptstadt Lahore benannt ist, war eine verdeckte Islamistin oder wenigstens ein naives Instrument islamistischer Kräfte. Es war auf jeden Fall ein fatales Zeichen, sie im Moment des Beginns einer islamistischen Offensive in Deutschland zu ehren.

Die Intellektuellen und Islamexperten, die ich für die Protestliste ansprach, waren fast alle entsetzt über die Ehrung. Gleichzeitig baten sie mich, sie auf keinen Fall zu zitieren. „Ich bin ganz Ihrer Meinung, Frau Schwarzer“, hieß es dann. Doch: „Mir haben schon Studenten nach einer islamkritischen Vorlesung die Fenster eingeschlagen.“ Ein Professor erzählte mir sogar von Morddrohungen nach einem kritischen Seminar über die Muslimbrüder. Das war vor 24 Jahren.

Die Universitäten. Da scheint die systematische islamistische Indoktrination – umgesetzt von Predigern, die in Saudi-Arabien oder Katar, in Pakistan, Kairo oder London geschult wurden – weltweit am stärksten gefruchtet zu haben. Ganze Generationen sind inzwischen auch in Deutschland durch und durch ideologisiert, mit einem Amalgam aus (berechtigter) Kritik am Imperialismus und Neokolonialismus, vermischt mit ethnischer Identitätspolitik plus diversen Denkverboten.

Kürzlich habe ich das mal wieder selber erfahren dürfen, an der Universität Frankfurt. Dort hatte die Direktorin des Forschungszentrums Globaler Islam, Susanne Schröter, zu einer Konferenz über das Kopftuch geladen. Die Folgen sind bekannt: Unter dem Hashtag #schröter_raus folgte ein Shitstorm gegen die Professorin, ihre Entlassung wurde gefordert.

Nach einem kritischen Seminar über die Muslimbrüder bekam der Professor Morddrohungen

Die Universitätsleitung wies das in diesem Fall entschieden zurück, und auch der Asta hielt zu der Professorin. Vor dem Konferenzgebäude tauchte im Laufe des Tages ein Häuflein Demonstrantinnen und Demonstranten auf, angeführt von dem professionellen „Campaigner“ Zuher Jazmati, in Berlin geborener Sohn syrischer Eltern. Er gibt Kurse in „Critical Whiteness“ und befasst sich laut eigener Aussage mit „Dekolonialisation, Anti-Islamophobie und muslimischem Rassismus“.

Ich war die einzige Teilnehmerin der Konferenz, die spontan hinausging, um mit den Demonstranten zu reden. Doch mich empfing nur Gebrüll. Unmöglich, mit ihnen zu reden. Bei einem meiner Trotz-alledem-Versuche tippte ich einer der Demonstrantinnen (mit Kopftuch) ganz leicht an den Unterarm – Skandal! Wie ich es wagen könne, sie „ohne Erlaubnis anzufassen“! Sie werde mich „anzeigen“. Darauf antwortete ich ironisch: „Ich dachte, nur Männer dürfen Sie nicht anfassen.“ Es folgte ein Shitstorm im Internet gegen mich als „Rassistin“.

Nur zwei Monate später bekamen EMMA und ich den zweiten Rassismus-Shitstorm an die Backe. Die EMMA-Cartoonistin Franziska Becker sei eine „Rassistin“. Beleg: ein halbes Dutzend Cartoons, aus 40 Jahren, die sich über die Propagierung der „modischen Burka“ lustig machten oder die Agitation des fundamentalistischen Islams satirisch zuspitzten.

Diesmal kam der Rassismus-Bann allerdings nicht nur aus dem Milieu der quasiprofessionellen „Anti-RassistInnen“, sondern auch von bekannten Autoren wie Jakob Augstein und Carolin Emcke.

Kritik am politischen Islam und der Verschleierung gilt als „Treten nach unten“ und „Rassismus“

Doch auch diese Anwürfe waren so durchsichtig, dass die FAZ en passant über eine „Kritik, die aufklärerischen Spott mit Rassismus verwechselt“, spottete. Und der Chefredakteur der französischen Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo – die 2015 Opfer eines Massakers mit zehn Toten durch islamistisch motivierte Terroristen geworden war – sah in dem deutschen Satire-Streit gar „Moral-Kapos“ am Werk.

Jede Kritik am politischen Islam und an seinem sichtbarsten Symbol, der Verschleierung der Frauen, gilt in diesen politisch korrekten Kreisen als „Treten nach unten“ und „Rassismus“ beziehungsweise neuerdings auch als „Islamophobie“. (Bemerkenswert, dass für diese Leute „die Muslime“ immer „unten“ sind und sie „oben“.)

Da dürfen wir uns nicht wundern, wenn nicht nur die AfD, sondern auch immer mehr Bürgerinnen und Bürger angesichts der falschen Toleranz „den Islam“ mit Islamismus gleichsetzen – und allmählich zu echtem Rassismus neigen. Dabei schienen gerade wir Deutschen nach dem Schock der Nazi-Zeit relativ gut geimpft zu sein gegen Fremdenhass und Antisemitismus.

Auch beim Sexismus waren wir in Richtung Gleichberechtigung bemerkenswert gut vorangekommen. Und all das wollen wir jetzt in Gefahr bringen lassen durch die Infiltration einer tief reaktionären, rechten Ideologie? Im Namen einer falschen Toleranz?

Alice Schwarzer

Der Text erschien zuerst am 25. Juli 2019 in der ZEIT.
 

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„Die Gotteskrieger und die falsche Toleranz“ und „Der Schock – die Silvesternacht in Köln“. Zuletzt erschien von ihr „Meine algerische Familie“ (alle Kiepenheuer & Witsch) - alle im EMMA-Shop

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Alice Schwarzer schreibt

Aus dem Alltag einer Rassistin

Boualem Sansal und Alice Schwarzer trafen sich in Paris. - Foto: Bettina Flitner
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Am 15. Mai war ich einen Tag lang in einer Konferenz mit algerischen JournalistInnen und SchriftstellerInnen im Goethe-Institut in Paris. Ich war die einzige Nicht-Algerierin, weil ich jüngst ein Buch über das Land geschrieben habe („Meine algerische Familie“). Das ist jetzt in Frankreich erschienen und gilt als „das erste Buch über Algerien heute“.

Die von dem großen, mutigen Schriftsteller Boualem Sansal (zusammen mit dem deutschen Professor Jürgen Wertheimer) geleitete Konferenz über Algerien war sehr bewegend. Denn es ging um viel. Einige der AutorInnen auf dem Podium waren wegen nicht staatstreuer Meinungen schon im Gefängnis, andere mussten in den 1990er-Jahren vor den mordenden Islamisten ins französische Exil fliehen. Wie wird es weitergehen mit Algerien, diesem größten afrikanischen Land? Die Antwort kann auch für Europa sehr ernste Folgen haben.

Am nächsten Tag war ich mit der iranischen Schriftstellerin Chahla Chafiq verabredet. Sie ist seit fast 40 Jahren im Exil in Frankreich, geflohen vor dem islamistischen Terror in ihrer Heimat. Wir haben zusammen überlegt, was wir noch tun können, um Nasrin Sotoudeh zu helfen. Die auch in Europa bekannte Menschenrechtlerin ist vor einigen Monaten in Teheran zu 38 Jahren Gefängnis und 143 Peitschenhieben verurteilt worden. Grund: Sie hat es gewagt, Frauen, die öffentlich gegen den Kopftuchzwang und für Frauenrechte demonstriert haben, als Anwältin zu verteidigen. In Frankreich gibt es eine große öffentliche Solidarität. In Deutschland herrscht überwiegend Schweigen, matt unterbrochen durch diplomatisches Gemurmel – bis auf die Berichterstattung in EMMA (3/19).

Als einzige Referentin habe ich mit den DemonstrantInnen gesprochen

Eine Woche zuvor hatte ich an der Universität Frankfurt an einer Konferenz über „Das islamische Kopftuch – Symbol der Würde oder der Unterdrückung?“ teilgenommen. Veranstalterin war Prof. Susanne Schröter, renommierte Ethnologin, Islamwissenschaftlerin und Direktorin des „Forschungszentrums globaler Islam“.

Schon die Ankündigung der Konferenz hatte einen „Proteststurm“ ausgelöst. Anonym. Sturm von wie vielen Menschen? Einem? Zwei? Drei? #schroeter_raus! hieß der Hashtag, „Rassistin“ lautete der Vorwurf.

Die Konferenz fand statt und wurde zu einem Meilenstein. Erstmals wurde an einer deutschen Universität öffentlich unterschieden zwischen „Islam“ und „Islamismus“, zwischen Glauben und Ideologie.

Eingangs hielt Prof. Susanne Schröter einen augenöffnenden, bebilderten Vortrag über die Entwicklung Indonesiens zwischen 2011 und 2018: „Vom ‚Recht‘ auf das Kopftuch zur ‚Pflicht‘ zum Kopftuch“. Und sodann belegten zwei IslamwissenschaftlerInnen, Dr. Abdel-Hakim Ourghi von der Pädagogischen Hochschule Freiburg und Dr. Dina El-Omari von der Universität Münster, unabhängig voneinander, dass das Kopftuch keineswegs „eine religiöse Pflicht“ sei und niemand sich damit auf den Koran berufen könne. Eine Auffassung, die übrigens schon längst offiziell auch von der Al-Azhar-Universität in Kairo bestätigt wurde, der höchsten theologischen Autorität des Islam.

Über die Konferenz wurde in den Medien durchaus breit und auch differenziert berichtet. Im Netz allerdings ging es dann quasi nur noch um mich. Und das kam so:

Ich hatte in der Konferenz über den Siegeszug des politisierten Islam gesprochen: ausgehend von Khomeinis Gottesstaat Iran ab 1979 bis in die islamischen Communities im Herzen Europas. Als einzige Referentin der Konferenz war ich dann irgendwann im Laufe des Tages durch den Nieselregen auf die andere Straßenseite gegangen, um mit den DemonstrantInnen zu sprechen. Etwa ein Dutzend Frauen, plus ein, zwei Männer. Es empfing mich Gebrüll. Ich ließ mich nicht entmutigen, versuchte zu verstehen und zu diskutieren. Dabei tippte ich einer kopftuchtragenden Demonstrantin ganz leicht an den linken Arm. Noch mehr Gebrüll. Rassistin! Frauenfeindin! „Wie können Sie es wagen, mich ohne Erlaubnis anzufassen? Ich zeige Sie an!“, schrie die Betroffene. Darauf antwortete ich ironisch: „Ich dachte, nur Männer dürfen Sie nicht anfassen.“

Jetzt war der „Skandal“ komplett. Der Initiator der Demonstration, Zuher Jazmati, hatte mitgedreht und stellte einen manipulativ verkürzten Auszug ins Netz. Zum Glück hatte auch jemand von EMMA und Kollegen von der Welt mitgedreht. Wir stellten eine längere Sequenz ins Netz, bis hin zu meinem Schlusssatz: „Ladet mich ein. Ich komme, und wir diskutieren.“

https://www.youtube.com/watch?v=daV4aGWOjb4

Im Netz ergossen sich dennoch die rituellen Beschimpfungen der selbsternannten „Anti-Rassistinnen“ und „intersektionellen Feministinnen“ über mich. Shitstorm. Allerdings auch wahnsinnig viel Zustimmung. Über 90 Prozent aller Stimmen waren auf meiner Seite (siehe Seite 110).

Die Menschen fangen allmählich an zu begreifen. Zu begreifen, dass sie mit ihrem Unbehagen und ihrer Kritik an einem schariahörigen Islam recht haben. Doch sie wurden bisher eingeschüchtert und mundtot gemacht mit dem Rassismus-Vorwurf.

Dabei sind Millionen aufgeklärte MuslimInnen in den heute 35 islamischen Ländern auf der Welt plus die im Westen lebenden die ersten Opfer dieser Fundamentalisten. Selbsternannte „Anti-Rassisten“ und postkoloniale „KritikerInnen“ sind die Helferlein dieser Fanatiker. Nützliche IdiotInnen oder geschulte Provokateure? Aus Naivität oder aus ideologischem Interesse?

Diese IdeologInnen halten nicht etwa zu den Opfern, sondern zu den Tätern. Und die deutsche Politik macht mit, indem sie seit Jahrzehnten „Dialoge“ führt mit Scharia-gläubigen Islam-Verbänden. Und viele Medien, allen voran linksliberale, schreiben diesen „Anti-RassistInnen“ nach dem Mund. Dabei braucht es nur ein paar Klicks, um zum Beispiel zu erfahren, wer der Mann ist, der die Demo angemeldet hat.

Nein. Lieber veröffentlichen manche linksliberale Medien, von Ze.tt bis Tagesspiegel, ungeprüfte Diffamationen über mich. Die kommen im besten Fall von Unbedarften, im schlechteren von Leuten, die genau wissen, was sie tun.

Ich kenne mich da aus. Zum ersten Mal wurde ich 1979 als „Rassistin“ beschimpft, als ich wenige Wochen nach der Macht­ergreifung von Khomeini und der Etablierung des „Gottesstaates“ im Iran war. Zurück in Deutschland habe ich geschrieben, was ich gesehen und gehört hatte. Meine düsteren Erwartungen haben sich nicht nur erfüllt, sondern wurden weit übertroffen. Aber was schallte mir schon damals aus gewissen – linken – Kreisen entgegen? Rassistin! Schon 1979 wurde ich also als „Rassistin“ diffamiert.

Schon 1979 wurde ich als "Rassistin" beschimpft

Oder 1993, das Jahr des Beginns der islamistischen Offensive in Deutschland. Damals bezeichnete mich eine gewisse Amina Erbakan in einem Interview als „unsere Feindin Nr. 1 in Deutschland“. Die Konvertitin war die Frauenbeauftragte der vom Verfassungsschutz scharf beobachteten islamistischen Organisation Milli Görüs und Schwägerin von Necmettin Erbakan, dem Chef der rechtsnationalen Wohlfahrtspartei. Erbakan galt als Inspirator von Milli Görüş sowie der rechtsnationalen „Grauen Wölfe“, war kurzzeitig Ministerpräsident der Türkei und wurde wegen „Volksverhetzung“ verurteilt. Er war außerdem der politische Ziehvater des heutigen Präsidenten Erdoğan. Noch Fragen?

Ich bin es also gewohnt, von gewissen Kreisen als „Rassistin“ beschimpft zu werden. Das kann mich nicht einschüchtern. Im Gegenteil: Ich bin stolz darauf! Stolz, in Deutschland eine der – leider noch immer viel zu raren – Stimmen zu sein, die über den politischen Islam aufklären; über die internationale Offensive des politisierten Islam und die Agitation mitten unter uns, von Teheran bis Frankfurt. Und die seit Anbeginn den Schulterschluss mit aufgeklärten MuslimInnen praktiziert hat. Denn der Islamismus ist eine der größten Gefahren unserer Zeit. Er ist mindestens so ernst zu nehmen wie das Erstarken der traditionellen Rechten. Genauer: Der Islamismus ist Teil der internationalen Rechten.

Dass immer mehr Menschen auch in Deutschland das begreifen, zeigen ihre Reaktionen.

Im Netz
Video-Aufzeichnung der Kopftuch-Konferenz: https://bit.ly/2ZmNWMo

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