Alice Schwarzer schreibt

Krieg ist immer unmenschlich!

© Bettina Flitner
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Heute vor zehn Jahren begannen die Alliierten unter Führung von Amerika mit der Bombardierung des Irak. Angeblich, weil Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen hortete (was schon damals als Lüge erkennbar war und rasch widerlegt wurde). Die Bilanz zehn Jahre später: 120-190.000 Tote, vor allem IrakerInnen, aber auch 4.500 US-SoldatInnen. Sowie tausende traumatisierte Soldaten auch auf der Seite der Angreifer. Heute machen im Jahr mehr GIs Selbstmord (2012 genau 349) als im Krieg sterben. Und der Irak, dieses einstige Paradies, in dem  Adam Eva den Apfel gereicht haben soll, und das unter dem Diktator Hussein immerhin das fortschrittlichste und blühendste Land der Region war mit den wenigsten Analphabeten und den emanzipiertesten Frauen, dieser Irak ist heute ein zertrümmertes Land mit einer traumatisierten Bevölkerung. Wäre es damals, 2003, nach den Menschen in den kriegsführenden Ländern gegangen, hätte es diesen Krieg nie gegeben.

Am 15. Februar 2003 waren in hunderten von Städten – allein in den USA in 150 – Millionen Menschen auf die Straße gegangen. Im kriegsführenden Amerika und Großbritannien waren zwei von drei Menschen gegen diesen Krieg, in Deutschland sogar 80 % aller Männer und 90 % aller Frauen. Deutschland hat damals unter Kanzler Schröder die Teilnahme verweigert. Ironie der Geschichte: Inzwischen sind SPD und Grüne begeisterte Einmarschierer – und halten sich die Konservativen und Liberalen zurück. Zu recht.

Allen Ländern, zu deren „Befreiung“ der Westen direkt oder indirekt beigetragen hat, mit keineswegs nur uneigennützigen Motiven, geht es heute schlechter als vorher. In Afghanistan werden die Taliban nach Abzug der „Befreier“ wieder die ganze Macht an sich reißen, die Blutspur von Libyen zieht sich durch Afrika bis hin nach Mali, und in Syrien werden nach Vertreibung des weltlichen Assad die von Saudi-Arabien finanzierten Radikal-Islamisten die Macht ergreifen. Der „arabische Frühling“ kippte sehr rasch in eine arabische Eiszeit.

Was keine Überraschung ist. Bereits 2003 hatte nicht nur ich erkannt, dass die neue Weltordnung - nach dem Ende des Kalten Krieges zwischen den Ideologien Kapitalismus und Sozialismus - eine zwischen den Religionen sein würde. In meinem Irak-Editorial im Februar 2003 schrieb ich: „Als künftige feindliche Brüder schälen sich zwei Kräfte heraus, die beide Fundamentalisten sind und im Namen ihres jeweiligen Gottes vom ‚gerechten Krieg’ schwafeln (Im Weißen Haus beginnt jeder Tag mit einer Morgenandacht).“

Inzwischen haben wir einen dritten Weltkrieg, dessen Flammen an wechselnden Stellen hochschlagen, immer näher kommen und genährt werden hie vom Westen unter Führung Amerikas und da von den Islamisten mit den Petrodollars aus Saudi-Arabien. In früheren Kriegen waren noch die Menschen verblendet, heute sind es im Westen nur noch die Herrschenden. Aufgeklärte Menschen wollen keine Kriege mehr, denn sie wissen, dass Kriege nur Verlierer kennen: Aus Menschen werden Täter oder/und Opfer – und nach dem Krieg geht der Krieg zuhause gegen Frauen und Kinder weiter. Doch die Stimme der Menschen gilt auch in Demokratien offensichtlich nichts.

Weiterlesen
Warum Krieg? Über das Sterben der Anderen – und die Folgen für uns (2/2003)
Der gerechte Krieg (3/1999)
Die Mutter aller Schlachten (3/1991).

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