Alice Schwarzer schreibt

Hart aber fair

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Am Montag war ich in einer lebhaften Diskussionsrunde bei "Hart aber fair". Und als ich mitteilte, dass die Hälfte (!) der SPD-Jungwählerinnen und -Jungwähler seit 2005 der SPD den Rücken gekehrt habe, dafür aber die Hälfte aller jungen Frauen die Merkel-Partei gewählt hatten – da schien selbst mein für gewöhnlich gut informierter Kollege Jörges vom Stern überrascht. Ein Blick auf EMMAonline könnte ihn klüger machen.

Zustimmung aber auch Proteste, ja Beschimpfungen erreichen mich seit Montagnacht, weil ich mir erlaubt hatte zu sagen, die Partei Die Linke sei eine Realität und es sei unsinnig, sie weiterhin zum Tabu zu erklären. In vier Jahren sei das eh von gestern.

"Unrechtsstaat" schallt mir entgegen, „Demagogen“. Da ist was dran. Aber Demagogen sind leider in allen Parteien. Und was den "Unrechtsstaat" angeht: 1. Der ist lange vorbei. Und 2.: Auch in einem falschen Staat kann es ein richtiges Leben geben.

Als ich am Tag nach der Wahl von Köln nach Berlin flog, sah ich in einer der Berliner Zeitungen eine Grafik: Die zeigte ganz Berlin nach Wahlkreisen und in Farben. Und da war zu sehen, dass der komplette Ostteil rot ist (also mehrheitlich Die Linke gewählt hat) und der komplette Westen schwarz (also CDU). Als stünde noch die Mauer.

Nur zwei SPD-Abgeordnete, beides Frauen, sind mit der Erststimme in den Reichstag gekommen. Das sind Realitäten. Und wenn der Westen nicht noch länger besserwisserisch dem Osten erklären will, was richtig und was falsch ist, dann sollten wir WestlerInnen endlich mit diesen Realitäten leben, statt sie zu leugnen.

Außerdem hoffe ich stark, dass Müntefering bald zurück tritt. Der war im Wahlkampf der SPD doch tatsächlich zuständig für Jugend und Frauen… Und, dass die beiden Letzteren endlich eine reale Chance kriegen in der verknöcherten Genossenpartei. Die Frauen warten da seit 1972 drauf – damals hatten sie mit ihren Stimmen der SPD in den Sattel geholfen.

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