Alice Schwarzer schreibt

François & Artemisia

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Und sie haben in Wahrheit auch nicht unbedingt für Francois Hollande gestimmt, sondern vor allem gegen Nicolas Sarkozy. Es ist frappant, in welchem Ausmaß Brunis Ehemann verhasst ist bei seinen GegnerInnen. Buhrufe, sobald er auf dem Bildschirm erscheint: Er ist „ein Lügner“, „ein Hochstapler“, der „Präsident der Reichen“. Und als wir in der Metro zurück nach Montparnasse fahren, tanzen und rappen drei schwarze Frauen vor Freude über Sarkozys Niederlage. Eine hat einen Hexenbesen dabei, mit dem sie Sako, diesen „Dreck“, rituell auskehrt.
Frankreich hat Glück gehabt. Glück, dass ein New Yorker Zimmermädchen aus Guinea namens Nafissatou Diallo den Anstoß dazu gab, das wahre Gesicht von Dominique Strauss-Kahn zu enthüllen. Denn DSK war der eigentliche Präsidentschaftskandidat und Liebling, nicht nur der Sozialisten. Er, der auch im bürgerlichen Lager akzeptiert war, hätte sicherlich mehr Stimmen geholt als die knappen 51,6 Prozent des braven Hollande. Doch dann hätte Frankreich nicht nur einen Sex-Maniac im Élysée thronen gehabt, sondern wäre wohl auch in die Fäuste des Zuhälterrings geraten, in dem DSK laut aktueller Anklage aktiv war, und in die der Bauunternehmer, die die Orgien des IWF-Chefs mit den Prostituierten bezahlt hatten. Davon ausgehend, das das bei einem zukünftigen Präsidenten Frankreichs eine lohnende Investition ist.
Und Hollande? Der Ex-Ehemann der bei ihnen so beliebten Segolène Royal wurde von vielen Feministinnen öffentlich unterstützt. Auch wenn einige unter ihnen schon jetzt bedauern, dass die sozialistische Partei die von den Konservativen geplante Bestrafung von Freiern nicht einführen wird. Aber immerhin: Es bleibt bei dem von Sarkozy eingeführten Burka-Verbot. Das ist neu.
Sexualgewalt. Ein eternelles Thema. Am Nachmittag des Wahlsonntags war ich in einer wirklich bemerkenswerten Ausstellung: Artemisia Gentileschi (1593-1653). Die große Renaissance-Malerin war mit 18 von ihrem Lehrer vergewaltigt worden. Ihr Vater hatte den Kollegen angezeigt. Der wurde dann zwar verurteilt, zu fünf Jahren Verbannung, musste jedoch die Strafe nie antreten. Kommt uns bekannt vor, oder? Fortan machte die als Porträtistin hoch begehrte und sehr erfolgreiche Artemisia den Männermord in allen Varianten zu ihrem zentralen Thema.
Ihr berühmtestes Bild ist die mythische Szene, in der Judith dem Feldherrn Holofernes mit einem Dolch den Kopf absäbelt. Die schöne Jüdin hatte sich bei dem Heerführer der syrischen Besatzer eingeschlichen und ihn trunken gemacht… Die Ermordung des Holofernes wird von Artemisia in immer neuen Varianten durchgespielt und nicht nur die. Es fallen der Malerin noch ganz andere Tötungsarten für Männer ein… Daneben sind Frauenporträts ihre Spezialität. Frauen, die nicht nur zeitgemäß weit über dem heutigen Body-Maß-Index liegen, sondern sehr mächtige, kräftige Körper und zupackende Arme haben. Frauen, die niemand vergewaltigt (Die Ausstellung ist bis zum 15. Juli im Museum Maillol zu sehen).
Zweifellos wird Berlin einer der ersten, wenn nicht der erste Staatsbesuch von Präsident Hollande sein, denn sie wird in La France von allen, links wie rechts, uneingeschränkt bewundert: La Merkäääl und ihr „deutscher Weg“. Artemisia würde die Kanzlerin zweifellos mit sehr kräftigen Armen malen.
Alice Schwarzer
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La France in Trance (EMMA 2/2012)
Artemisia Gentileschi. Die Rache der Künstlerin (EMMA 11/1986)

 

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