Alice Schwarzer schreibt

FAZ-Bahners & der Fundamentalismus

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Zwar schreibe ich seit 32 Jahren, seit der Machtergreifung Khomeinis im Iran, über die Gefahr des Islamismus. Immer jedoch habe ich eine strikte Unterscheidung zum Islam gemacht. Letzterer ist für mich ein Glaube wie das Christentum. Und so der Islam reformbedürftig ist, scheint mir das die Angelegenheit von MuslimInnen zu sein.

Für Herrn Bahners jedoch ist die Gleichsetzung von Islam und islamischen Fundamentalismus aufschlussreicherweise selbstverständlich. Liest man sein Buch plus seine Interviews zur Sache, so überrascht das nicht. Denn für Bahners scheint auch die Gleichsetzung von Christentum und christlichem Fundamentalismus naheliegend.

So erklärte er in einem Streitgespräch mit Necla Kelek im Spiegel, den von ihm so genannten Panikmachern „missfällt der Gedanke, dass er (der Fundamentalismus, Anm. d. Aut.) Gottes Gesetz über jede weltliche Vereinbarung stellt. Doch auch in der Bibel steht der Satz, der Mensch müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen. Und es gibt Christen, die diesen Satz nicht für obsolet halten.“ Zu diesen Christen, die im 21. Jahrhundert „Gottes Gesetz“, was immer das jeweils meinen mag, über das Grundgesetz stellen, zählt Bahners anscheinend auch selbst.

Und dieses Recht, nämlich sich auf „Gottes Gesetz“ zu berufen, möchte er selbstverständlich auch der Bruder-Fraktion nicht verwehren. So antwortet der Feuilletonist auf die Frage des Spiegel nach den Veränderungen in der arabischen Welt: „Wenn sich die Menschen dort auf die Scharia berufen, kann es ja auch heißen, dass sie sich einen Staat wünschen, der in Übereinstimmung mit Gottes Geboten die Gesetze macht. Aber natürlich müssen diese Gesetze auf dem Wege politischer Willensbildung entstehen.“ Will sagen: Wenn die Mehrheit nur will, kann die Demokratie ruhig abgeschafft und der Gottesstaat eingeführt werden. So wie anno 1979 im Iran. Was die meisten IranerInnen heute bitter bereuen. Denn die Folgen sind bekannt.

Bleibt nur anzumerken, dass der FAZ-Feuilleton-Chef dann sehr schnell zu der Minderheit gehören würde, die ebenfalls sehr schnell abgeschafft würde. Aber das scheint ihm nicht klar zu sein, denn er hat zwar die Bibel und ein paar weitere dicke Bücher ganz trefflich studiert – vom Leben aber hat dieser Mensch keine Ahnung. Vom Leben der Frauen schon gar nicht.

Für Bahners, für den Christentum und christlicher Fundamentalismus eins sind, ist also auch die Gleichsetzung von Islam und islamischem Fundamentalismus konsequent. All diejenigen, die unterscheiden und warnen vor den fanatischen Schriftgläubigen predigen einen „fanatischen Rationalismus“.

Bei der Diffamation der Kritiker eines jeglichen religiösen Fundamentalismus – egal ob islamisch, christlich oder jüdisch – ist der Feuilletonist wenig zimperlich. Einen Doktortitel würde er dafür höchstens in Bayreuth kriegen.

Wenn ich zum Beispiel im Jahr 2002 die Integrationspolitik des damaligen Innenministers Sarkozy lobe, so darf selbstverständlich der Schluss gezogen werden, dass Präsident Sarkozy im Jahr 2010 mein „Idol“ ist und ich Beifall zu den Roma-Ausweisungen klatsche. Und wenn ich das Kopftuch in der Schule kritisiere, suggeriere ich damit, alle Frauen, die „freiwillig“ ein Kopftuch tragen, seien „gleichzusetzen mit Leuten, die sich in den frühen 30er Jahren die braune SA-Uniform angezogen haben“.

Hilfe! Die Fundamentalisten kommen. Gegen so viel Dunkelmännertum hilft nur noch die Clarté der Aufklärung.

Zum Weiterlesen: „Die große Verschleierung“ und „Die Gotteskrieger oder die falsche Toleranz“, beide herausgegeben von Alice Schwarzer (KiWi/EMMA-Taschenbücher).

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