Alice Schwarzer schreibt

Die SM-Debatte & Spiegel TV

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Denn in dem Sieben-Minuten-Beitrag von Spiegel TV ging es vor allem um (bezahlte?) Damen, die sich halbnackt auspeitschen ließen und ein hinter schwarzen Gummimasken nuschelndes SM-Paar, das eher tragisch als erotisch wirkte. Und ja, man sah noch eine verlegen lächelnde E.L. James durchs Bild huschen, die Autorin des ach so verruchten Buches.

Doch was sollte mein Part dabei sein? Der der Feministin, die das Phänomen analysiert? I wo. Für mich war die Rolle der verbalen Auspeitscherin vorgesehen. Stil: Sex böse! SM-Sex ganz böse!! Männer am allerbösesten!!!

Manchmal wundere ich mich, ehrlich gesagt, über mich selber. Ich mache seit Jahrzehnten doch tatsächlich immer wieder den Versuch, ernsthaft zu antworten. Eigentlich rührend. In diesem Fall blieben von einem knapp halbstündigen Dreh – mit immer wieder denselben, zunehmend suggestiven Fragen – genau 20 Sekunden. Und darin ließ der Spiegel-TV-Reporter mich zwischen zwei Auspeitschungen Folgendes sagen:

Die Männer von heute seien irritiert und so mancher, der beruflich mit Frauen konkurriere, stelle sich das weibliche Geschlecht eben lieber auf allen vieren vor als im aufrechten Gang. Schade nur, dass der Zusammenhang, die erste Hälfte dieses Satzes, fehlte in meinem 20-Sekunden-Statement. Nämlich, dass es in diesem Buch weniger um weiblichen Masochismus, sondern vor allem um männlichen Sadismus geht.

Doch um das Buch bzw. das Phänomen, warum Millionen Frauen tatsächlich so was lesen, ging es hier ja gar nicht – obwohl das für ein „kritisches TV-Magazin“ die einzig interessante und relevante Frage wäre. Es ging nur mal wieder darum, einen Anlass zu haben für die Verbreitung pornografischer Sadomaso-Bilder: gefesselte Frauen und peitschende Männer.

Spiegel-TV-Journalismus nicht als Information und Aufklärung, sondern als Propaganda. Propaganda im Namen des Herrn. Ach, wenn ich EMMA nicht hätte, hätte ich wirklich Grund zum Verzweifeln.
 

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Wie masochistisch sind Frauen?

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