Alice Schwarzer schreibt

Die Pille - was für eine Befreiung!

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Sicher, diese Angst ist immer noch existenziell für jede Frau, die nicht bzw. nicht nochmal Mutter werden will und Sexualität mit Männern lebt. Damals aber war sie eine Frage auf Leben und Tod. Und eine uneheliche Mutterschaft eine Schande für Mutter und Kind.
Also jetzt, oh Wunder: Die Pille! Was für eine Befreiung. Die Pille kam wenige Jahre vor der Frauenbewegung. Und zweifellos ist sie einer der Zündfunken, die das Feuer der Forderung nach gleichen Rechten für Frauen mit angefacht haben.
Doch nach der ersten Euphorie kamen gerade den bewussten Frauen auch die ersten Bedenken. Was war mit den medizinischen Nebenwirkungen dieser Pille, die dem Körper hormonell eine permanente Schwangerschaft vortäuschte? Sie waren enorm. Und es ist nicht zuletzt – ja vermutlich vor allem – der Kritik von Feministinnen zu verdanken, dass sie heute minimal sind. Die Pille wurde in den letzten 50 Jahren entscheidend verbessert.
Und was war mit den psychologischen Nebenwirkungen der Pille? Auch die konnten ernorm sein. Denn statt der permanenten Gefahr einer ungewollten Schwangerschaft drohte nun die Gefahr der Erwartung einer permanenten Verfügbarkeit der Frauen. Wenn also die Frauen nicht selbstbewusst und stark genug waren, konnte das auch umschlagen in die Forderung von Männern, Frauen hätten selbstverständlich zu verhüten.
Auch diese Sorge formulierten allen voran Feministinnen schon sehr früh. Gleichzeitig mit den Bedenken um die mögliche Ausnutzung des Rechts auf Abtreibung von Frauen.
Heute ist die Einnahme der Pille für eine Mehrheit der Frauen eine Selbstverständlichkeit. Und das ist auch gut so. Umso überraschter war ich, im Editorial des Stern-Chefredakteurs Thomas Osterkorn zur Titelgeschichte über die Pille folgende seltsame Passage zu lesen:
„Auch von Alice Schwarzer kam Kritik. Die Pille sei ‚eine mechanistische Männererfindung zur Instrumentalisierung der Frau’, sagte Deutschlands Oberfeministin.“
Da das Stern-Zitat mir sowohl in seiner Denkungsart wie in seiner Diktion sehr, sehr fremd ist, hörte ich nach beim Kollegen, woher er denn diese verschrobenen lebensfernen Sätze habe. Und siehe da:
Der Stern-Chefredakteur hatte das angebliche Schwarzer-Zitat u.a. von babycaust.at, der Website christlicher Fundamentalisten, für die Frauen, die abtreiben, „Mörderinnen“ sind. Und die wiederum hatten es von PM History, ein Magazin, das ebenfalls bei Gruner & Jahr erscheint.
Doch selbst die Babycaust-Fanatiker hatten nicht gewagt, mir einen so hanebüchenen Unsinn in den Mund zu legen. Sie hatten lediglich unterstellt, Alice Schwarzer würde „sinngemäß“ so denken… Beim Stern jedoch landete die Unterstellung ungebremst als Originalzitat zwischen zwei Anführungsstrichen. Die Recherchewege unserer auflagenstarken Brüder gehen offenbar manchmal sehr seltsame Wege…
Nun, lieber Kollege Osterkorn, eigentlich ist es ganz einfach: Alice Schwarzer denkt schon länger exakt das über die Pille, was die von Ihnen zitierte 20-jährige Lara Keuthen heute denkt: Die Pille ist für Frauen ein Segen – aber sie kann auch Nachteile haben.
Also, lassen Sie doch beim nächsten Mal, wenn Sie Schwarzer zitieren wollen, einfach beim Original nachschlagen statt beim politischen Gegner. Zum Beispiel in meinen Büchern oder Artikeln. Oder auch, weil’s ja eilig ist, auf www.aliceschwarzer.de.

 

 

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