Alice Schwarzer schreibt

Afghanistan-Einsatz

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Liebe Bischöfin Käßmann,

Sie werden gerade von rechts bis links gescholten für eine Selbstverständlichkeit: für Ihre Kritik am Afghanistan-Einsatz Deutschlands. Sie sollten sich nicht beirren lassen. Denn:
„Am 4. September um 1.21 Uhr entschloss ich mich, zwei am Abend des 3. September entführte Tanklastwagen sowie an den Fahrzeugen befindliche INS durch den Einsatz von Luftstreitkräften zu vernichten.“ – Mit diesen Worten beschrieb Oberst Klein, der für den Tod von vermutlich 142 Menschen verantwortlich ist, sein Motiv zum Einsatzbefehl. Wie wir inzwischen wissen, bestand der deutsche Befehlshaber auf der Bombardierung, obwohl die ausführenden amerikanischen Piloten zögerten und abrieten.

Oberst Klein befahl also, Tanklastwagen und „an den Fahrzeugen befindliche INS zu vernichten“. Verräterische Sprache. Sie macht aus Menschen INS (insurgents, Aufständische). Und aus dem Töten das „Vernichten“. Mal wieder.

Da ist es das Mindeste, dass das Oberhaupt einer deutschen Kirche warnt und appelliert: „Wir brauchen Menschen, die nicht erschrecken vor der Logik des Krieges, sondern ein klares Friedenszeugnis in der Welt abgeben, gegen Gewalt und Krieg aufbegehren.“

Und es ist alles andere als „naiv“, wenn Sie, Frau Käßmann, in einem begleitenden Interview zu Ihrer Neujahrspredigt darauf aufmerksam machen, dass Deutschland (nach den USA und Großbritannien) heute nicht nur die drittgrößte Streitmacht in Afghanistan ist – sondern auch der drittgrößte Rüstungsexporteur weltweit! Und wie gut, dass Sie neben den afghanischen Opfern auch an die anscheinend vergessenen traumatisierten deutschen SoldatInnen erinnern.

Vermutlich haben Sie mit Kritik gerechnet, sind aber wohl doch verwundert, dass die außenpolitischen Sprecher von CDU und SPD, Missfelder und Klose, Ihnen eine „Nähe“ zu der Partei Die Linke vorwerfen. Die scheint in den Augen der Volksparteien die Kritik am Krieg inzwischen gepachtet zu haben.

Noch erstaunlicher, ja geradezu scheinheilig, ist allerdings die Reaktion von Ralf Fücks, Leiter der einst ach so pazifistischen grünen Böll-Stiftung. Der kritisierte Ihre „Unart, im Brustton der höheren Moral politische Handlungsanweisungen zu erteilen“. Ja, hat der Mann denn ganz vergessen, dass das - aus Schuld und Überzeugung - bis dahin pazifistische Deutschland erstmals 1999 wieder in den Krieg zog, weil ein Grüner, der Außenminister Joschka Fischer, den Kosovo-Konflikt mit einem „zweiten Auschwitz“ verglich? Und das mit gefälschten Dokumenten und im allerhöchsten „Brustton einer höheren Moral.“

Also, liebe Margot Käßmann, viele gute Gründe, standhaft zu bleiben. Sie sind nicht allein. Sie sprechen aus, was die Mehrheit des deutschen Volkes denkt und fühlt. Und die Mehrheit hat keineswegs immer Unrecht.

In diesem Sinne

Alice Schwarzer

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