Über Alice

Vier Fäuste

Artikel teilen

Eine Frau wird 60.

Alice Schwarzer!

Eine Frau, die mit Zunahme ihrer Lebensjahre für nicht wenige, auch der Männer meiner Generation, an Attraktivität gewonnen hat.

Die Männer meiner Generation: Hineingeboren in eine Welt, die die Frauen naturgegeben für die schlechteren Autofahrer hielt. In der der kleine sexuelle Übergriff im Vorübergehen - wenn überhaupt - als Kavaliersdelikt galt, anstatt als das, was er ist: Eine schlimme Form entwürdigender Gewalt.
Die Welt der 50er und 60er.

In der es nur zwei Arten von Frauen gab: Heiliges Eheweib oder billiges Flittchen.

Eine Nachkriegsgesellschaft der gekränkt und gewalttätig schweigenden Väter und Ehemänner. Eine Gesellschaft, in der sich die Frauen noch unter abstruse Gesetze duckten und bestenfalls die Fäuste in den Kittelschürzen ballten. Fäuste, von deren Existenz sie nur ahnten, die aber dennoch Wirkung machten. Nicht für sich selber, sondern oft genug gegen sich, gegen das eigene Geschlecht, gegen die eigenen Kinder.

Uff! Und Göttin sei Dank, kamen 1971 dann endlich auch in Deutschland die Dinge ein wenig in Gang.

Dass es zur Not auch ohne die Männer ginge. Dass Frauen ab jetzt selber entscheiden, über ihren Körper, den Bauch, das Recht an ihrem Abbild auf den Frontseiten der Magazine und in der Werbung. Das zu zeigen und dafür zu kämpfen, ist in Deutschland an erster Stelle das Verdienst von Alice Schwarzer.

Eine kleine Chronologie:
Seit ihrer Studienzeit in Frankreich mit Frauenthemen vertraut, ist die Wuppertalerin Alice Schwarzer 1971 am ersten großen Schlag gegen den deutschen Abtreibungsparagraphen 218 beteiligt.

1975 dann ihr Werk "Der kleine Unterschied und seine großen Folgen". Eine Polemik über die Rolle der Sexualität im Machtkampf der Geschlechter. Die Männer fürchten pauschal ums Genital und BILD ergeht sich einmal mehr in kränkender Häme.
1977 der Start von EMMA. Wenn Mann so will, Alice Schwarzers emanzipatorisches Kampforgan, in dem sie bis heute kein Blatt vor den Mund nimmt, in Wahrheit aber eine Zeitschrift, die sich bewusst um eine feministische Alternative bemüht und - wenn auch nicht immer glücklich - von Anfang an bis zum heutigen Tag um ein Stück aufklärenden Journalismus.
Alice Schwarzer ist spätestens ab dem EMMA-Erscheinen eine allzeit streitbare Person in den Medien, wenn es um die Belange der Frauen geht.
Auch als Autorin ist sie erfolgreich.
Zum Beispiel mit dem bewegenden Buch über die tragische Beziehung der Grünen-Politikerin Petra Kelly und Gert Bastian.
Mit Biografien über "Romy Schneider" und "Marion Gräfin Dönhoff" und erst in diesem Jahr mit "Die Gotteskrieger und die falsche Toleranz".
Alice Schwarzers feministischer Kritik am religiösen Fundamentalismus.
Alice Schwarzer ist eine Frau, die Talkstar Michel Friedman alt aussehen lässt, aber auch eine, die den vorprogrammierten Absturz gegen den smarten Medienliebling Verona Feldbusch billigend in Kauf nimmt, um am Ende dennoch ganz bei sich zu bleiben.
Dazu gehört eine gehörige Portion Narzissmus, aber auch große, in der Sache begründete Courage. Courage, die über die Sache der Frauen hinausgehend, für alle Beteiligten etwas verändert hat. Alle in die Notwendigkeit brachte, sich zu bewegen.
Was also haben wir, die Männer, Alice Schwarzer zu verdanken?
Vielleicht, dass nach den ewigen Beziehungskämpfen, den Rollenfestlegungen auf beiden Seiten, quälend langsam aber dennoch etwas Anderes ins Gespräch kommt als die Männeralternativen:
Machohafter Penetrierer oder sexloser Waschlappen.
Männer und Frauen, die zu ahnen beginnen, dass an der Stelle solch hilfloser Bilder, Fragen treten müssen. Mitunter auch Unangenehme.
Aber mit zunehmendem Gespräch, auch peut-a-peut, die lustvolle Neugier, das Wunder des Gegenübers, das Verschwinden der Ängste. Liebe mit den Füßen fest auf einer gemeinsamen Erde.
Dank Alice Schwarzer löst sich auch langsam das politisch so brauchbare, und für manche Lager gar noch gottgewollte Gegeneinander von Männern und Frauen.
Wächst die Fähigkeit auszuhalten, dass erwachsene Frauen, als Partner durchaus manchmal Schwestern und Mütter, dennoch auch immer attraktive und sexuelle Wesen sind.
Dito erwachsene Männer, die auch als Partnerschafts-Brüder und -Väter, ihr Mann-Sein nicht mehr dran geben müssen.
Wer wie Alice Schwarzer kein Blatt vor den Mund nimmt und wie die meisten Männer auch ab- und an übers Ziel hinaus schießt, braucht sich um Spott nicht zu sorgen.
Abschließend daher ein Wort zur medienwirksamen Häme: "...Junge Frauen wollten von einer Befreiung à la Schwarzer schon lange nichts mehr wissen."
Stimmt nicht!
Wie Vieles im Mediengeschäft!
Ein dursichtiger Manipulationsversuch alter und alt gebliebener Männer. Als eine Frau, die ich sehr schätze, von meinem Auftrag zu gratulieren hörte, meinte sie lachend: "Sag der Alice auch alles Gute von mir." Wohlgemerkt, eine Frau aus der Generation von Verona Feldbusch. Eine Geschäftsfrau, die auch ohne sich an die Öffentlichkeit zu verkaufen, mit ihrer weiblichen Art schon dem einen oder anderen männlichen Kunden zu einem Selbstfindungsprozess in Sachen Fairness verholfen hat und die damit - sorry - ganz erfolgreich ihren Mann im Business steht.
Und deswegen, trotz der - zum Glück immer bleibenden - kleinen Unterschiede.
Nach gut 30 Jahren Emanzipationskampf, im Grunde für beide Geschlechter.
Heute also alles Gute zum 60sten, liebe Alice Schwarzer.
Von hier! Von mir! Auch von uns Männern:
Vier Fäuste, oder vielleicht doch versöhnlicher:
Vier applaudierende Hände.
Und immer zwei von einer Frau und zwei von einem Mann.
Natürlich!
Oder war das überhaupt je die Frage?

Artikel teilen
 
Zur Startseite