(Sexual)Gewalt gegen Frauen: Der arme

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Er hat seiner Frau den Schädel eingeschlagen und das Gesicht zertrümmert. Fünf Jahre später ist Pastor Geyer wieder frei - und leugnet bis heute seine Schuld. Die wurde ihm in einem überwältigenden Indizienprozess nachgewiesen. Und nun kommt im ZDF am 10. März auch noch ein einfühlsamer Film. Einfühlsam nicht mit dem Opfer, sondern mit dem Täter. Titel: "Mord im Haus des Herrn".


Diesem Angeklagten wird nicht erst vom Jüngsten Gericht, sondern schon vom Braunschweiger Schwurgericht verziehen. Er ist noch nicht einmal wegen Mord, sondern nur wegen Totschlag angeklagt worden und dank Begnadigungsfrist in spätestens fünf Jahren wieder frei frei in einer Welt, in der es genug Menschen gibt, die ihn trösten werden, allen voran weibliche.

Diese Trösterinnen scheinen sich eigenartig sicher zu sein, dass immer nur die andere die Schlampe ist, die es erwischt. In Geyers zwei Trostordnern in der Zelle sind vor allem Frauen abgeheftet.

Auch die einfühlsamsten Artikel sind vor allem von Frauen. Vorneweg die einschlägig profilierte Spiegel-Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen, die auch in Sachen Fakten inzwischen völlige Narrenfreiheit zu genießen scheint. Für sie gab es im Fall Geyer von Anfang an nur zwei Möglichkeiten: "einen schrecklichen Irrtum der Staatsanwaltschaft" oder einen "Beziehungskonflikt, der tödlich endete". Friedrichsen: "Ein Mann tötet eine Frau oder umgekehrt: Eine Frau bringt ihren Mann um. Das sind Urszenen des Tötens. Und wer die Hand gegen wen erhebt, entscheidet oft der Zufall."

Urszenen des Tötens? Zufall? Nicht nur unsere alltägliche Erfahrung, auch die Statistik spricht da eine ganz andere Sprache: In Deutschland waren im Jahre 1996 unter 1.324 Tatverdächtigen wegen Mord(-Versuch) von zwölf Totmachern elf Männer. Und Geyers Verteidiger, laut Spiegel reputiert in der Verteidigung Angeklagter, die ihre Partner umgebracht haben, hat nach eigener Aussage bisher ganze zwei Gattenmörderinnen, aber 14 Gattinnenmörder verteidigt.

Nicht der Täter ist schuld, sondern das Opfer. "Sie reizte, beleidigte und provozierte den leicht kränkbaren, auf Erfolg und Anerkennung angewiesenen Mann" (Jutta Voigt in der Woche). "Sie war die Dominante" (Bascha Mika in der taz). "Sie wurde zwar laufend von ihrem Mann betrogen, doch war sie offensichtlich die Robustere. Hat sie ihn durch eine 'permanent ausgespielte Überlegenheitsrolle' wieder und wieder verletzt?" (Friedrichsen im Spiegel).

Wie Veronika Geyer-Iwand verletzt wurde, wissen wir dank Leichenbefund genau: Es hat ihr jemand mit sieben Hieben den Schädel so eingeschlagen, dass ein Ohr abgetrennt, das Gesicht völlig zerschmettert und Augen und Hirn in den Kopf getrieben wurden. Hier hat nicht einer getötet, hier hat einer vernichtet, ausradiert.

Und dann ist da die Fülle der Indizien. Zeugen sahen die beiden Richtung Tatort fahren, an seinen Stiefeln war Lehm vom Tatort, sein Brecheisen im Auto und ihre Schädelverletzungen "passen nahtlos ineinander".

Aus dem Gefängnis heraus fordert der Pastor eine Frau aus seiner Gemeinde via Kassiber zu seiner Entlastung zum Meineid auf. Und es fehlt auch nicht das Motiv: Am Tag vor ihrem Tod hatte ihm eines seiner zahlreichen Verhältnisse die Liebschaft aufgekündigt, und es hatte darüber Streit zwischen dem Ehepaar gegeben. Wollte sie sich trennen?

Veronika Geyer-Iwand, 53, die in Demut erzogene Tochter des Theologen Iwand (einer der führenden Köpfe der Bekennenden Kirche), war trotz nicht endender Demütigungen durch seine Affären selbstbewusster geworden. Die Tochter des berühmten Iwand war nicht nur Lehrerin und Bürgermeisterin ihres Heimatortes, sondern auch Garantin seiner schwankenden Karriere. Und sie scheint nicht länger gewillt gewesen zu sein, alles um jeden Preis hinzunehmen. Ein gefährlicher Moment im Leben einer Frau.

Hinzu kommt sein Lebenswandel, seine "Unterleibsprobleme", wie er es zu nennen pflegt. Noch in der Nacht nach dem Verschwinden seiner Frau legte Pastor Geyer sich mit einer Geliebten ins Ehebett. Am Nachmittag des darauf folgenden Tages hatte er Sex mit einer anderen Geliebten im Auto. Und in der zweiten Nacht war wieder die erste im Ehebett (das alles in dem Haus, in dem auch noch Kinder des Ehepaares leben).

Ist ein Mann, der seine Frau so betrügt (unter anderem mit einer 15-Jährigen aus der Nachbarschaft), auch zwangsläufig ein Mörder? Gewiss nicht. Doch wirft ein solches Verhalten ein gewisses Licht auf den Charakter des Angeklagten, vor allem, wenn der auch noch Pfarrer ist; und nicht irgendeiner, sondern ein "linker" Pastor, einer aus der Friedensbewegung und Ex-Leiter der Aktion "Sühnezeichen".

Genau das ist es, was viele Menschen zu Recht so empört am Fall Geyer: die Verlogenheit, Hartherzigkeit und Selbstgerechtigkeit in diesem angeblich so fortschrittlichen, barmherzigen Milieu. Nicht so die links-liberalen Medien. Die halten zu "ihrem" Mann. Ein Teil der Berichterstattung setzt die Geyer'sche Hartherzigkeit und Selbstgerechtigkeit konsequent fort.

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