Alice Schwarzer in anderen Medien

Mercator-Professur in Duisburg-Essen

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"Ich hatt' 'nen Traum, 's geht über Menschenwitz zu sagen, was das für ein Traum war. Der Mensch ist nur ein lumpiger Hanswurst, wenn er sich einfallen lässt zu sagen, was mir war..."

Alice Schwarzers zehn Jahre alter Prolog zum Thema Gewalt gegen Frauen, beginnt fast so, wie der oben zitierte Monolog des Zettel aus dem Shakespeare'schen Sommernachtstraum: "Ich hatte einen Traum...". Bei Shakespeare wacht Zettel gerade auf, hat als verwunschener Esel mit der Frau des Oberschurken Oberon geschlafen, der sich nämlich mit seiner Gattin Titania um einen indischen Knaben gestritten hatte. Aus Strafe, Rache, sexueller Lust kommt es zur Sodomie.

Mercator Professorin

"Ich hatte einen Traum..." – Alice Schwarzer trug ihren Text berührend und für das Publikum im voll besetzten Audimax der Uni elektrisierend vor. Schwarzer war hell geschminkt, warm und weich gewandet, mit fraulicher Ausstrahlung und mit leuchtenden roten Schuhen; eben "forever young". Ihre Stimme wirkte sanft, beherrscht bei den Abgründen, die sie schilderte; gespickt mit traurigen Prozentzahlen, lähmenden Fakten aus Testosteron, Omnipotenzfantasien und vergeblicher Erziehung.

Aber Alice Schwarzer wäre nicht Alice Schwarzer, die Medienmanipulatorin, zu Lebzeiten Geschichtsfigur und nun auch noch Mercatorprofessorin, wenn sie sich nicht mediengerecht und fleißig aus dem Boulevard-Füllhorn bedienen würde. Auch zum Thema "Die Funktion der Gewalt im Verhältnis der Geschlechter". Ihre Einlassungen zur "Causa Jörg Kachelmann", nach der sie gefragt wurde, brachte die Zuhörer, unter diesen viele Studierende wohl kaum weiter. Nun ja: Die Gedanken sind frei, auch bei Gewaltenteilung.

Harmlose Nachfragen

Aber das Auditorium aus Lehrenden, Lernenden und Publikum machte es ihr an diesem Abend auch leicht. Harmlose Nachfragen. Mehr Bonmots, fast Nettigkeiten wurden von ihr immer lächelnd quittiert. Ernsthafte Diskussion, feuriger Dissens – Fehlanzeige.

Dennoch, das Thema Gewalt der Geschlechter brach Alice Schwarzer virtuos auf, und abscheuliche Verbrechen von unauffälligen Normalo-Männern und pathologisch pädophil fixierten schossen wie Kanonen auf uns, die im Hörsaal lauschten. Klammheimlich hörte "mann" vielleicht alle Männer im Saal laut nachdenken: "Gehöre ich auch zu dieser Sorte?" Dann Stille, Ruhe, Betroffenheit.

Dies machte Alice Schwarzer zur hoffnungsfrohen Professorin an der Universität Duisburg-Essen. Hoffentlich kann ihr die Uni genügend Angriffsfläche bieten.

Thomas Bremser, RPonline 16.12.2010

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