Im Clinch

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Im WDR stritten am letzten Donnerstag Alice Schwarzer und Esther Vilar - in einer Show bis aufs Messer.

Sie sind nicht nur Sexistin, sie sind auch Faschistin!", schimpfte die eine. Die andere mäkelte, sie habe ihre Bücher geschrieben, "weil ich den Quatsch nicht länger anhören kann, den Sie und Ihre Genossinnen in der Öffentlichkeit vertreiben". Meinte die eine von der anderen, dass sie nun "tiefer nicht mehr sinken könne", verbat sich die andere die "lächerlichen Vergleiche" der einen.

So lebhaft, wenn nicht heftig, so persönlich, wenn nicht hasserfüllt waren im Deutschen Fernsehen noch nie zwei aufeinander losgegangen, wie Alice Schwarzer und Esther Vilar - selbst Henri Nannen und Gerhard Löwenthal nicht, als sie einst im ZDF Magazin Vergangenheit bewältigten.

Mit einem merkwürdigen Sinn für das Timing - im Rheinland regierte die Weiberfastnacht - hatte der WDR die beiden extremen Flügelkämpferinnen der deutschen Frauenbewegung ins Studio geladen und dort aufeinander losgelassen: ohne hemmende Regie, ohne begütigendes Drehbuch - und vor allem ohne den baritonalen Ausgleich eines Moderators, dessen sonst übliche Einebnungs- und Verlangweiligungskünste einem gerade durch ihr Fehlen nahezu schreiend bewusst wurden.

So entstand eine Fernsehsendung, deren Informationsgehalt Dutzend abgewiegelte Magazinbeiträge ersetzte, deren Show-Wert das gängige Moderato der Talk-Shows blamiert, deren schonungslose Direktheit noch in der Aufzeichnung high-live war. Nur: sie wurde im ungünstigen Nachmittagsprogramm verschleudert, um 16 Uhr zwanzig, wenn nur Alice Schwarzers dressierte Hausweibchen Fernsehzeit haben, während Esther Vilars dressierte Männchen zwecks Erarbeitung der Fernseh-Raten aushäusig sind.

Es war ein Kampf zwei extremer Positionen, ohne Bandagen, aber keineswegs ohne Argumente geführt. Die radikale "Women's Lib"-Vertreterin Alice Schwarzer, 32, nicht zuletzt durch ihren ausgeblendeten Panorama-Abtreibungsfilm im öffentlichen Bewusstsein, suchte sofort den Angriff: Blond, schmal, von scharfer, drängend-nervöser Intelligenz, ging sie ihre Kontrahentin gleich in der ersten Minute an, warf Esther Vilars Büchern Dummheit vor.

Esther Vilar, 39, modisch-populäre Manneshelferin im Geschlechterkampf, die den Mann als emsigen, dennoch unterdrückten Ernährer parasitärer Weibchen betrachtet und im Kampf der Emanzipierten eine Attacke auf die Würde der Frau sieht, konterte mit der Taktik des weichen Wassers, das - laut Brecht - den harten Stein besiegt. Von ihrem anheimelnd gutturalen bayrischen Dialekt unterstützt, quittierte sie die Dauerattacken mit gleichbleibendem Lächeln - in der Boxersprache: sie zeigte nie Wirkung.

So ließ die sanfte Esther die betroffen-angriffslustige Alice immer wieder ins Leere laufen - da neben dem Gewicht der Argumente ein solcher Infight auch an die sportiven Instinkte der Zuschauer appelliert, hieß hier die Siegerin Esther Vilar; sie hatte ähnlich wie Muhammad Ali gegen George Foreman weich in den Seilen gehangen, ihre Deckung nie aufreißen lassen, so dass heftige Schläge, trotz des pausenlosen Trommelfeuers, verpufften. Aber auch ihre Argumente sahen nicht durchgehend schlecht aus, wenn sie mit der günstigeren weiblichen Sterblichkeitsrate der früheren Erreichung des Rentenalters oder der Freistellung vom Wehrdienst einige weibliche Privilegien gegen die militanten Emanzipationsklagen ins Feld führe. Die Idylle vom umsorgten Püppchen, für das der Mann Männchen macht, wirkte weniger treuherzig-raffiniert als sonst.

Doch alles in allem flogen ständig die Fetzen. Etwa folgendermaßen:

Schwarzer: ... Was stellen Sie sich eigentlich vor, wenn Sie so etwas schreiben, zum Beispiel über mich und meine Kolleginnen schreiben, wir seien Nachplapperer, und unser wichtigstes Instrument ist die Vagina.

Vilar: Ich sage, dass man für diese Ideen, die Sie vertreten, weder Mut braucht, noch Originalität, noch Initiative. Es ist ganz, ganz einfach, man muss den Männern nur das gewähren, was sie am liebsten mögen möchten, nämlich dass sie die Stärksten sind, dass sie die Welt beherrschen, und sie sind glücklich.

Schwarzer: Ich kann Ihnen verbindlich sagen: Ich bin seit neun Jahre Journalistin... und ich kann Ihnen wirklich sagen, dass nichts schwieriger zu schreiben und zu veröffentlichen ist als die sogenannten Frauenthemen.

Vilar: Natürlich, weil es so Quatsch ist.

Schwarzer: ... und ich gehöre ja nun zu den exponiertesten Journalistinnen auf diesem Bereich, es gibt keine Zeitung, wo ich es leicht hätte, wenn nicht mal gerade das Jahr der Frau ist oder mal ein Extra-Tag, oder man erlaubt sich mal den Luxus, nun mal eine schreiben zu lassen, überhaupt etwas zu sagen. Ich zum Beispiel war gezwungen, Bücher zu schreiben, um über Abtreibung schreiben zu können, um über Berufstätigkeit schreiben zu können aus meiner Sicht. Und meine Bücher haben die Auflage, die in Relation steht, die ein Männer-Verlag macht. Ihre Bücher hingegen sind in einem Augenblick gekommen, wo die Emanzipationswelle bereits angefangen hat, die übrigens von Frauen initiiert worden ist.

Vilar: Nein, das ist eine ganz uralte Geschichte.

Schwarzer: Ich meine, Sie können sich natürlich hinsetzen und sagen, extrem Mal, der Mond ist blau. Und ich sage: Liebe, gute Frau Vilar, der Mond ist gelb, gucken Sie doch mal hin. Und dann sagen Sie mir wieder, der Mond ist blau. Was soll ich Ihnen dann sagen?

Vilar: Ja, um den Mond geht es mir nicht, es geht mir um mein Buch.

Aufgezeichnet wurde derlei Harsches am 14. Januar, im Großen Studio B des WDR. Die beiden Kontrahentinnen, die sich vorher noch nie gesehen hatten, wurden bis zur Beginn der Sendung sorgfältig in Quarantäne gehalten: Sie wurden in getrennten Garderoben geschminkt - auch der Stier sieht den Matador erstmals in der Arena.

Die unmittelbare Reaktion auf die Sendung war viel stärker als üblich: Etwa gleich viel Männer und Frauen riefen spontan beim Sender an - und alle fanden es ungeheuer spannend. Und wie auf dem Schirm schieden sich auch hier die Geschlechter: Bei den Frauen überwog "bei weitem" die Empörung über die mannesfromme Esther, die Mehrheit der Männer störte an Alice die "scharfe Art".
Spiegel, 10.2.1975

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