Alice Schwarzer schreibt

"Hart aber fair" reloaded

"Hart aber fair": Ampelfrauchen? Hahaha. So lächerlich ist die Gleichberechtigung.
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Sophia Thomalla, Schauspielerin und Blondine vom Dienst, hat recht, wenn sie im Stern fragt: "Hat der Rundfunkrat nichts Besseres zu tun?" Haben die denn alle nichts Besseres zu tun in diesen Zeiten, als sich über eine so läppische und niveaulose Sendung öffentlich zu echauffieren - und sie dann auch noch in einem dramatischen Akt aus der Mediathek zu verbannen?! Abschalten hätte genügt. Oder, noch besser: Solche Sendungen gar nicht erst produzieren.

Denn wir FernsehzuschauerInnen zahlen ja Gebühren für einen aufklärenden Journalismus der Öffentlich-Rechtlichen - und nicht für so einen verdummenden Krawall-Journalismus. Wir haben das Recht auf Qualität, Kompetenz, Unterhaltung - und darauf, nicht mit so einem Schmierentheater narkotisiert zu werden. Denn das Problem ist nicht diese eine Sendung, das Problem ist das Prinzip Krawall, das längst auch bei den Öffentlich-Rechtlichen Einzug gehalten hat. Allen voran bei Sendungen mit "schenkelklopfendem Niveau" (Tagesspiegel) wie "Hart aber fair".

Was ist passiert? Der deutsche Frauenrat und die Gleichstellungsbeauftragten von NRW hatten sich über die Sendung "Nieder mit den Ampelmännchen - Deutschland im Gleichheitswahn?" vom März dieses Jahres beim Rundfunkrat beschwert. Verständlicherweise. Folge: Die Vorsitzende des Rundfunkrates beklagte sich beim WDR, die Sendung sei "der Ernsthaftigkeit des Themas nicht angemessen" gewesen. Auch richtig. Folge: Der Fernsehdirektor des WDR verbannte die beklagte Sendung aus der Mediathek in den Giftschrank. Seither ernten die Frauenverbände wg. Nickeligkeit Häme und kriegt der WDR wg. "Zensur" Haue. Letzterer zurecht.  

Doch müsste die Kritik viel, viel früher einsetzen. Nämlich bei diesen publikumsverdummenden Sendungen, die Krawall mit Kontroverse verwechseln - und so schon à priori jeden Anspruch auf Information und Diskussion ad acta legen. Dabei wird es in Wahrheit erst wirklich spannend bei echten Kontroversen und fundierten Argumenten.

Krawall
statt
Kontroverse

Dass die keine Chancen hatten, dafür garantierten in (nicht nur) diesem Fall schon Wolfgang Kubicki, als Alt-Herren-Witzler vom Dienst aus der FDP; Birgit Kelle, die Antifeministin vom Dienst aus fundamental-christlichen Kreisen; sowie Sophia Thomalla, die Blondine vom Dienst, aus der Welt derer, die stolz darauf sind, "noch nie diskriminiert worden" zu sein. Von dem (nicht nur) in Emanzipationsfragen enthemmt parteilichen Moderator ganz zu schweigen. Ampelfrauchen? Hahaha. So lächerlich ist die Gleichberechtigung.

Dabei ließe sich sogar über dieses Thema lebensnah und spannend debattieren: Warum es Sinn machen kann, ergänzend zum Symbol des "Ampelmännchens" im Jahr 2015 auch das des "Ampelfrauchens" zu stellen. Schließlich gehen auch Frauen über die Straße und macht ihre symbolische Präsenz also Sinn, denn Symbole sind Ausdruck unseres Denkens, Fühlens, kurzum unserer Existenz. Von dem in der Tat recht Kleinen hätte sich ein Gespräch ins Große, ins Grundsätzliche entwickeln können - wenn man es nur gekonnt und gewollt hätte.  

Der WDR hat also nun die Sendung aus dem Verkehr gezogen (und ihr damit eine maximale Werbung beschert). Vermutlich aus Eigenschutz. Denn das Niveau dieser Sendung ist mehr als nicht angemessen. Es ist entlarvend. Weil es das Produkt einer Grundhaltung ist, die uns ZuschauerInnen nicht ernst nimmt, sondern für dumm verkauft. 

Jetzt hat der Sender angekündigt "Hart aber fair" werde eine zweite Sendung zum Thema Emanzipation machen, also so alles wieder gut machen. Wie billig. Das wahre Motiv wird sein: Schon die Skandalisierung der ersten Sendung garantiert die hohe Einschaltquote der zweiten.

Ist Kompetenz etwa schädlich für die Teil-
nehmer der 
Diskussion?

Ob man zu dieser Sendung nicht auch Alice Schwarzer einladen sollte, fragte BILD einen gewissen Dieter Horky, langjähriges Mitglied des Rundfunkrates. Der erwiderte: "Nein, nicht die Erfinderin des Feminismus. Das wäre aus meiner Sicht Hardcore." Der Kölner Künstler-Repräsentant scheint also der Auffassung zu sein, Kompetenz sei schädlich für einen Diskussionsteilnehmer - und die weltweite Emanzipationsbewegung sei meine ganz persönliche "Erfindung". 

Was nicht ganz ohne Komik ist. Und was zeigt, dass der WDR nicht nur mit dem Niveau seines Moderators ein Problem hat, sondern auch mit dem Niveau seines Rundfunkrates. 

Doch ich kann Herrn Horky beruhigen: Ich werde ganz gewiss nicht bei "Hart aber fair" über Ampelmännchen und -frauchen diskutieren. Nicht, weil ich das Thema nicht durchaus debattenwürdig finde, sondern weil ich schon vor längerem beschlossen habe, nicht länger Akteurin in diesen Schmierentheater-Sendungen zu sein. 

Alice Schwarzer

PS vom 7.9.: Inzwischen ist die erste Sendung wieder aus dem Giftschrank geholt und in die Mediathek gestellt worden. Schwer zu sagen, was kläglicher ist: das Niveau der Sendung oder die Halbherzigkeit des Senders

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Ask Alice!

Ask Alice! Zusammenhang von Medien & Macht

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Liebe Adjany,

da sprichst du in der Tat ein großes Problem an. Doch geht es dabei nicht nur um „Kampagnen-Journalismus“, d.h. eher „linke“ Medien versuchen, „Rechte“ madig zu machen und umgekehrt. Es geht auch um die eskalierende allgemeine Skandalisierung in den Medien.

Die traditionellen Medien kämpfen heute, im Schatten der sozialen Medien, mit allen Mitteln um Auflagen, Einschaltquoten und Klicks. Und leider Verfahren die angeblich „seriösen“ Medien dabei nicht anders als die einschlägig bekannten unseriösen (wie Boulevard- und Yellow-Press).

Nehmen wir das Beispiel Spiegel und SpiegelOnline. Die Einnahmen von SpiegelOnline hängen von der Zahl der Klicks ab – und wenn die Klicks nicht so hoch sind wie erwartet, nimmt so ein Verlag nicht nur weniger ein, sondern muss gegebenenfalls sogar Werbeeinnahmen zurückzahlen. Entsprechend wird zugespitzt und skandalisiert. Auf Teufel komm raus.

Gleichzeitig haben die großen Verlage sehr fitte Hausjuristen. Das heißt, die Skandalmeldungen sind in der Regel so formuliert, dass sie für die Betroffenen quasi unangreifbar sind, eben nur „Meinung“ und nicht „Tatsachenbehauptung“.

Die LeserInnen erkennen das oft gar nicht, und sie nehmen die Meinung in „seriösen“ Medien für Tatsache. Deswegen ist es für Betroffene viel heikler, in den vorgeblich seriösen Medien diffamiert zu werden als in den bekannt unseriösen – da weiß auch die naivste Leserin, der naivste Leser, dass man das nicht so ernst nehmen muss.

Dieser Entwicklung müssten sich auch die JournalistInnen viel selbstkritischer stellen. Sie tun es leider nicht häufig genug. An euch LeserInnen, kritisch zu lesen!

Mit lieben Grüßen
Alice Schwarzer

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