Alice Schwarzer schreibt

Die Rache einer gedemütigten Frau

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Präsident Hollande hat schon länger Probleme. Zuletzt wollten nur noch 17 Prozent aller Franzosen ihn wieder wählen. Die Veröffentlichung des Buches seiner Ex-Lebensgefährtin Valérie Trierweiler über die gemeinsamen acht Jahre und deren abruptes, bitteres Ende machen diese Probleme nicht kleiner. Die ersten 175.000 gedruckten Exemplare von „Merci pour ce moment“ (in etwa: Vielen Dank erstmal. Oder: Vielen Dank für diese Zeit) waren innerhalb von vier Tagen ausverkauft. Als Hauptzielgruppe ortete der Buchhandel „Frauen zwischen 40 und 50“; also die Frauen, die sich mit der Betrogenen und Verlassenen identifizieren.

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Nach der Enthüllung am 11. Januar 2014 durch ein Klatschmagazin, dass Hollande eine Geliebte hatte, erklärte Valérie Trierweiler, 48, zunächst, sie sei „bereit ihm zu verzeihen“. Doch spätestens mit dem ersten Satz seiner öffentlichen Erklärung zwei Wochen nach dem Eklat dürfte der erste Baustein für die Bombe Buch gesetzt worden sein. Am 26. Januar erklärte Hollande öffentlich: „Ich habe mein gemeinsames Leben mit Valérie Trierweiler beendet.“ Ich. Beendet.

Das dürfte der 1. Baustein für die Bombe Buch gewesen sein.

Unsere Kultur kennt etliche Varianten für so einen Fall: Wir haben uns auseinander gelebt... Wir bedauern, jetzt nach vielen glücklichen gemeinsamen Jahren getrennte Wege... Wir... Hauptsache Wir. Aber nicht Ich. Denn schließlich sollte wenigstens das Gesicht der Betrogenen und Verlassenen gewahrt bleiben.

Doch darauf legte der Präsident – der sich vor der Arbeit in seinem Palast auf dem Motorrad mit frischen Croissants zu seiner jüngeren Geliebten, einer Schauspielerin, zu schleichen pflegte – keinen Wert. In den Kreisen von François Hollande scheinen solche Konventionen nicht mehr zu gelten.

Doch welche Kreise sind das? Es sind die Kreise der Parti Socialiste, die 2013 Dominique Strauss-Kahn zum Präsidenten machen wollten. Ein Mann, von dem seine Entourage seit vielen Jahren wusste, dass er unter Frauen wütete wie ein Tier, und der aktuell in Frankreich der „bandenmäßigen organisierten Zuhälterei“ angeklagt ist (der Prozess soll Anfang nächsten Jahres eröffnet werden).

Denn hätte nicht ein bis dahin namenloses schwarzes Zimmermädchen in New York Anklage wegen Vergewaltigung gegen den damaligen IWF-Direktor erhoben – der just auf dem Weg zur Präsidentschaftskandidatur in Frankreich war – säße heute zweifellos nicht Hollande, sondern Strauss-Kahn im Élysée-Palast. Seine eigene Partei jedenfalls hatte den brutalen, korrupten und durch das Rotlicht-Milieu erpressbaren DSK nicht etwa aus Skrupeln an der Kandidatur gehindert, sondern hätte diesen Mann auf Schultern in das höchste Staatsamt getragen.

Gewisse linke Männer scheinen noch immer der Überzeugung, dass alles erlaubt sei.

So gesehen ist François Hollande das kleinere Übel. Es geht schlimmer.

Die Medien verreißen überwiegend die Bestseller-Bekenntnisse ihrer Kollegin als "indiskret". Überraschend ergriff jetzt der Schriftsteller Patrick Besson die Partei von Trierweiler. Er ist der Auffassung, dass "relativ wenig" über Hollande in dem Buch stehe und das Ganze eigentlich "ein großer Liebesroman" sei. Scheinheilig nennt eine Journalistin von Libération die Klage der Linken Alain Finkielkraut („Dieses Buch ist ein Verbrechen“) und Daniel Cohn-Bendit („Das ist der moralische Selbstmord von Valérie Trierweiler.“). Die konservativen Männer haben sich immerhin daran gewöhnt, dass man ihre Doppelmoral kritisiert. Gewisse linke Männer scheinen noch immer der Überzeugung, dass alles erlaubt sei. Zumindest für sie. 

Im Wahlkampf hatte der so bieder wirkende Hollande sich alternativ zu DSK als „Monsieur normal“ angepriesen. Der Mann von nebenan. Da hatte er die Trennung von Ségolène Royal bereits vollzogen, direkt nach deren gescheiterter Präsidentschaftskandidatur 2007. Er verließ die langjährige Lebensgefährtin und Mutter seiner vier Kinder für Valérie Trierweiler, mit der er zu dem Zeitpunkt bereits seit Jahren ein Verhältnis hatte.

Trierweiler wiederum verließ für Hollande, in den sie sich „rettungslos verliebt“ hatte, ihren Ehemann und drei Kinder. Und als sie mit dem Geliebten in den Élysée-Palast zog, gab die Journalistin auch ihren Job als politische Reporterin bei der Illustrierten Paris Match auf. In ihren Bekenntnissen gesteht Trierweiler nun, sie sei rasend eifersüchtig auf ihre Vorgängerin gewesen und habe dem Präsidenten jeglichen öffentlichen Umgang mit seiner langjährigen Gefährtin, auch in der Politik, untersagt. Royal ist inzwischen Ministerin im Kabinett des Präsidenten.

Alles nicht schön. Und keineswegs sonderlich privat, denn es wurde ja öffentlich vorgeführt und wirkt sich politisch aus.

Trierweiler enthüllt nun die genauen Umstände der Trennung. Und man darf davon ausgehen, dass die nackten Fakten stimmen: Das Manuskript wird vor Druck von einer Crew von Juristen gegengelesen worden sein.

Es war also so: An dem Tag, an dem seine Geliebte publik wurde, schluckte die Lebensgefährtin vor seinen Augen eine Handvoll Tabletten, um zu sterben (oder zumindest, um Mitleid zu erregen). Sie wurde in die Psychiatrie eingewiesen, wo Hollande sie erst nach über einer Woche besuchte. An einem der Tage in der Psychiatrie habe sie trotz des Dramas einen Termin wahrnehmen wollen, schreibt sie, zu dem sie als Première Dame jedes Jahr gegangen sei. Doch das medizinische Personal hätte ihr auf Weisung des Präsidenten so schwere Schlafmittel verabreicht, dass sie nicht aufstehen konnte. Bisher wurde diese Ungeheuerlichkeit – die den strafrechtlichen Tatbestand der Körperverletzung und Freiheitsberaubung erfüllen würde – nicht dementiert.

Nicht dementiert hat Hollande auch Trierweilers Behauptung, er habe ihr nach dem Crash – und wohl auch nach dem Rückzug der neuen Geliebten – wieder gesimst, oft vielfach am Tag, um sie zurückzugewinnen. Was nur soll man von einem emotional so beliebigen und taktisch so einfältigen Staatschef halten?

Ebenfalls nicht dementieren, zumindest nicht direkt, konnte François Hollande die Behauptung seiner Ex-Lebensgefährtin, er, der sozialistische Präsident, mache sich lustig über die Allerärmsten und nenne sie les Sansdents: die Zahnlosen. Auch das erregt seit Tagen das Land.

Einer Frau wird nicht verziehen, wenn sie aus der Schule plaudert.

Trierweiler kommt aus einer kinderreichen, bitterarmen Familie. Ihr Aufstieg zur Première Dame de France muss ihr wie ein Märchen vorgekommen sein. Doch aus dem Märchenschloss wurde sie nach Bekanntwerden der Affäre ihres Lebensgefährten abrupt verstoßen. Sie durfte nach dem Aufenthalt in der Psychiatrie nicht zurück in den Élysée-Palast, stand also wohnungslos sozusagen auf der Straße. Denn sie war mit Hollande ja noch nicht einmal verheiratet, also rechtlos.

Die Mittellosigkeit von Trierweiler dürfte mit dem Bestseller über das Präsidenten-Drama zunächst einmal behoben sein. Doch wird es einer Frau erfahrungsgemäß nicht verziehen, wenn sie aus der Schule plaudert. Zumindest nicht von den Mächtigen, und das sind auch in Frankreich immer noch Männer.

Eine andere Frau jedoch müsste sich eigentlich bei Trierweiler bedanken. Es ist Marine le Pen, die Frontfrau der rechtspopulistischen Front National. Ihre Politik richtet sich: gegen Globalisierung, gegen „Überfremdung“ – sowie gegen die Korruptheit der politischen Eliten, von rechts bis links. Die Enthüllungen von Trierweiler dürften der alleinerziehenden Mutter und Juristin, die schon jetzt als Siegerin aller Sonntagsfragen da steht, weitere Stimmen zutreiben – zusätzlich zu denen der traditionellen Nationalisten jetzt auch die so mancher betrogenen, gedemütigten Ehefrau. Und das sind nicht wenige in Frankreich.

Alice Schwarzer

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Alice Schwarzer schreibt

Das Private ist politisch

François Hollande und Valérie Trierweiler.
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Wir Feministinnen haben die Ehe fundamental infrage gestellt und den Frauen vom Heiraten abgeraten. Zumindest früher, als die Ehe Männer noch bevorteilte und Frauen juristisch benachteiligte. Heute müssen wir uns die Frage stellen, ob wir Frauen in manchen Fällen nicht sogar dringlich zur Ehe raten sollten. Zum Beispiel im Fall des französischen Präsidenten François Hollande, 59, und seiner Lebensgefährtin Valérie Trierweiler, 48.

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Sollten wir
Frauen heute
zur Ehe raten?

Was ist passiert? Am 11. Januar hatte das französische Klatschmagazin Closer enthüllt, der Präsident habe eine Affäre mit Julie Gayet, 41. Inzwischen weiß man, dass die Geschichte seit über zwei Jahren läuft. Der Präsident pflegte sich mit der Schauspielerin in einer wenige hundert Meter vom Elysée-Palast entfernten Wohnung zu treffen. Hin fuhr er auf dem Rücksitz eines Motorrollers, geklammert an seinen Bodyguard, von dem er sich auch manchmal morgens die Croissants vor die Tür legen ließ. Zusätzliche Pikanterie: Die Wohnung gehört einem Schauspieler, der wegen seiner Verbindung zur korsischen Mafia schon im Gefängnis saß.

Am 13. Januar enthüllt die Boulevardzeitung Le Parisien, dass Trierweiler wegen eines "Nervenzusammenbruchs" ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Doch schon zwei Tage später ließ sie verlauten, sie sei bereit, ihm zu verzeihen. Er aber schwieg und besuchte sie erst Tage nach ihrem Zusammenbruch am Krankenbett.

Er verbittet sich
Fragen nach
dem Privatleben.

Das Gerücht von der Affäre waberte zwar bereits seit Monaten durch Paris. Aber sie schien total überrascht. Der Präsident und seine "Première Dame" hatten noch im Dezember einen Staatsbesuch in Brasilien verabsolviert, sie auf Highheels und französisch elegent, sowie Weihnachten und Silvester zusammen verbracht. Doch jetzt erklärte Hollande der gespannt folgenden Nation lediglich, er werde sich bis zum 11. Februar zur Sache erklären. Ansonsten verbat der Präsident sich, auch während seiner großen Pressekonferenz am Jahresanfang, jede Frage nach seinem "Privatleben".

Privatleben? Die gelernte Journalistin Trierweiler war als Lebensgefährtin des Präsidenten keineswegs privat unterwegs. Ab Beginn von Hollandes Präsidentschaft im Mai 2012 hatte sie ihren Beruf aufgegeben, bis auf eine Kolumne in Paris Match, und als "Erste Dame" der Nation agiert: Staatsbesuche, Empfänge, Kindergarten-Eröffnungen, Ehrenämter. Dafür stand ihr ein Büro im Elysée-Palast zur Verfügung, ein Budget sowie mehrere Angestellte.

Wer ist Valérie?
Eine Geliebte.
Eine von mehreren.

Durch die öffentliche Affäre des Präsidenten, genauer gesagt: Beziehung, ist das alles infrage gestellt worden. Denn wer ist Valérie Trierweiler? Eine Geliebte. Eine von mehreren. Sie ist noch nicht einmal Mme Hollande - so wie Mme Chirac oder Mme Mitterand es waren. Auch über die Affären dieser beiden Präsidenten, und nicht nur der, war reichlich getuschelt worden. Aber ihre Frauen waren zumindest weiterhin die sozialen und legitimen Frauen an der Seite ihrer Männer. Selbst Mitterand, der über Jahrzehnte eine zweite Familie unterhielt - mit Steuergeldern, auch für die Miete und den Reitunterricht seiner unehelichen Tochter - hatte seine ewige Ehefrau Danielle nie infrage gestellt.

Doch welchen Platz hat eine verlassene Geliebte, wenn der Mann eine neue Geliebte hat? Und wenn die Neue außerdem, wie in diesem Fall, noch beliebter ist als die alte, die in Frankreich arg unbeliebte Trierweiler? Unbeliebt, weil sie sich mehrfach offen gehässig mit ihrer Vorgängerin aufgeführt hatte. Das war die bekannte Politikerin Ségolène Royal, mit der Hollande 25 Jahre zusammen war und vier Kinder hat. Mit ihr war er ebenfalls nicht verheiratet.

Als im Jahr 2007 Hollandes Affäre mit Trierweiler publik wurde - ausgerechnet und wohl nicht zufällig während der Wahlkampagne von Royal, die in Konkurrenz zu ihm als Präsidentin kandidierte - da war auch die damalige Lebensgefährtin schnell bereit, ihm zu verzeihen. Royal ging sogar noch weiter: Sie bat Hollande vor laufender Kamera, sie zu heiraten. Nach 25 Jahren. Und was tat er? Er schwieg. Doch kurz darauf redete er. Der Galan erklärte Journalisten, Valérie Trierweiler "ist die Frau meines Lebens". Nach 25 Jahren mit Royal und bei vier gemeinsamen Kindern.

Damals waren
sie 20, beflügelt
von der Revolution.

Hollande und Royal hatten sich im Studium kennengelernt. Sie sind heute beide um die 60 Jahre alt. Vor 40 Jahren waren sie 20 und beflügelt vom Mai 68 und der Frauenbewegung. Beide sind Sozialisten und Royal ist bekennende Feministin. Zwei moderne Menschen, die es für überflüssig gehalten hatten, zum Standesamt zu gehen. So wie Hollande später auch nicht daran dachte, Trierweiler zu heiraten. Was sich nun, wo er sich wahrscheinlich erneut trennen wird, als echt praktisch erweist. Für ihn. Er beendet eine Beziehung bar jeglicher verbrieften Verbindlichkeit - und sie fällt ins Nichts.

Valérie Trierweiler ist gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden. Es heißt, sie werde anschließend in Kur gehen, sie brauche "Ruhe". Wie praktisch für Hollande. Denn der fährt am 11. Februar auf Staatsbesuch zu den Obamas, wo das moderne französische Paar natürlich schon angekündigt war. Er wird wohl Julie Gayet nicht mitnehmen können ins Weiße Haus. Noch nicht.

Was für ein Männertheater! Der Frankreich-Korrespondent der Welt, Sascha Lehnartz, hat es auf den Punkt gebracht. Er schreibt: "Versuchen Sie sich bitte einmal folgende Situation vorzustellen: Angela Merkel hätte seit Monaten eine Affäre mit Götz George... und führe dazu drei bis fünf Mal die Woche inkognito auf einem Schwalbe-Moped aus dem Kanzleramt in eine Wohnung in Moabit, deren Hauptmieter Bushido wäre. Manchmal brächte sie ihrem Lover Mohnbrötchen aus der kanzleramtseigenen Bäckerei mit. Joachim Sauer hätte davon am Freitag durch eine Veröffentlichung der Super-Illu erfahren, und läge nun nach einem Nervenzusammenbruch in der neurologischen Abteilung der Charité. Und am Dienstag hätte Angela Merkel eine internationale Pressekonferenz vor sich, in der sie erzählen sollte, dass der Mindestlohn eine tolle Sache ist. So - ungefähr - ist derzeit die Lage in Frankreich. Parbleu."

In der Tat: Solche Geschichten sind nicht umzudrehen. Eine Staatschefin, die sich so aufführen würde, müsste wohl demissionieren, weil man davon ausginge, dass sie nicht mehr alle Tassen im Schrank hat. Doch ein Staatschef, der sich so benimmt, von dem sagen 77 Prozent aller FranzösInnen, das sei "seine Privatangelegenheit". Und sie scheinen sich noch nicht einmal die Frage zu stellen, ob einer, der in seinem Liebesleben so halbherzig und konfliktscheu agiert, das nicht im Beruf, also als Präsident genau so hält?

Was hätte man
ihr am Anfang
raten sollen?

Welche Schlüsse sind daraus zu ziehen? Was hätte man Valérie Trierweiler zu Beginn der Beziehung raten sollen? Darauf gibt es zwei konträre Antworten. Die erste lautet: Heiraten! Die zweite lautet: Strikt die Autonomie bewahren, so wie Joachim Sauer, der Ehemann der deutschen Kanzlerin.

Das Private ist politisch. So lautet einer der berühmtesten Slogans der Frauenbewegung. Er wurde seither viel missverstanden. In Zeiten der grassierenden Entblößung meinen manche, das hieße, Frauen wie Männer sollten ihr Privatleben öffentlich machen. Nein, es meint genau das, was wir gerade im Fall Hollande/Trierweiler vorexerziert bekommen: Die Benachteiligung von Frauen spielt sich auch oder sogar vor allem im scheinbar Privaten ab. Und das ist nicht das persönliche Problem der jeweiligen Frau, sondern ein gesellschaftliches.

PS 26. Januar 2014: Gestern Abend erklärte der französische Präsident: "Ich habe mein gemeinsames Leben mit Valérie Trierweiler beendet." Heute morgen flog die Ex-Première-Dame nach Indien, wo sie einen schon lange geplanten Besuch bei einer humanitären Organisation absolviert. Vermutlich ihr letzter offizieller Akt. Die Verstoßene "darf vorläufig in der gemeinsamen Wohnung bleiben", heißt es. Wo auch sonst? Eine eigene Wohnung hat die Journalistin, die acht Jahre an der Seite Hollandes war, ja auch nicht mehr.

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