Ask Alice! Was tun bei Kopftuch-Bewerberin?

ich arbeite in einem Steuerbüro und habe mich kürzlich mit einer Kollegin unterhalten, wie man sich als Chef oder Chefin verhält, wenn man die Bewerbung einer Muslimin mit Kopftuch hat. Einerseits weiß man, es würde für Irritationen der Kunden, sowie der MitarbeiterInnen sorgen. Andererseits möchte man grade islamische Frauen mit Studium auch unterstützen und gerne selbstverständlich in die Arbeitswelt integrieren. Deine Meinung würde uns sehr interessieren und sicherlich weiteren Diskussionsstoff bieten...

Vielen Dank und liebe Grüße,

Christina, 43 Jahre

 

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Liebe Christina,

gar nicht so einfach zu beantworten, deine Frage. Wie du weißt, bin ich eine scharfe Kritikerin des Kopftuches, das ich objektiv nicht für ein religiöses Zeichen, sondern für ein politisches Symbol halte. Allerdings weiß ich ebenso, dass die jeweiligen subjektiven Motive der Frauen, ein Kopftuch zu tragen, sehr unterschiedlich sein können.

Ich bin und bleibe für ein striktes Kopftuch-Verbot im staatlichen Dienst, allem voran für Lehrerinnen. Aber in der freien Wirtschaft? Wenn die Kopftuchträgerin qualifiziert ist für die Stelle und einen offenen Eindruck macht – also nicht borniert oder gar agitatorisch auftritt – würde ich sie einstellen. Denn in der Tat: Auch die kopftuchtragenden Musliminnen müssen in unserem Land eine Chance haben!

Zwar tragen nur drei von zehn Frauen aus dem muslimischen Kulturkreis hierzulande überhaupt ein Kopftuch – und sogar auch nur jede zweite der Musliminnen, die sich selber als „streng gläubig“ einordnen. Das Kopftuch ist also keineswegs ein „imperatives Gebot“ für eine Muslimin (wie die Verfassungsrichter beim Kippen des Lehrerinnen-Kopftuches absurderweise argumentiert haben). Es ist ihre persönliche Entscheidung. Die kann man kritisieren, aber man sollte sie nicht verbieten. Da bin ich für Offenheit.

Und übrigens: Viele der Kopftuchträgerinnen haben nicht immer Kopftuch getragen oder legen es eines Tages wieder ab. Weil sie sich von der Familie bzw. Freund/Mann emanzipieren. Weil sie selber umdenken. Oder weil sie zum Beispiel in Zeiten, in denen in den islamistisch beherrschten Teilen der Welt unverhüllten Frauen der Tod droht, das Kopftuch schon aus Solidarität mit den Zwangsverschleierten ablegen. – Aber das lässt sich nicht mit Verboten regeln, sondern nur mit Diskussionen und Bewusstwerdungsprozessen.

Im Klartext: Ich würde eine qualifizierte Frau mit Kopftuch einstellen – und danach mit ihr diskutieren. Respektvoll.

Mit lieben Grüßen
Alice Schwarzer